Volltext: Graf Stefan Tisza

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den Tag gebunden sind und die das innere Profil Tiszas am 
schärfsten beleuchten. 
Die erste Tisza-Studie nach dem Start setzt sich mit dem 
Wirtschaftsproblem auseinander, das in den Jahren vor dem 
Krieg als europäisches Problem mehr als alles sonst auf den 
Lippen aller Leute schwebt: mit der Frage der Teuerung. 
Hiebei findet er Anlaß, auf verschiedene Mängel von Handel, 
Industrie und Wirtschaftsorganisation überhaupt hinzuwei¬ 
sen und sich als entschiedener Keformgeist, zumindest doch 
auf wirtschaftlichem Gebiete, zu zeigen. Mitunter aber über¬ 
rascht er auch mit Artikeln von minder gewichtiger Stoffwahl 
und Behandlung, mit geistreichen, wenn auch gewiß nicht 
oberflächlich erfaßten Schulbeispielen der literarischen Klein¬ 
kunst, die von einem nicht alltäglichen publizistischen Talent 
zeugen: mit der launigen Schilderung einer Europareise im 
XVII. Jahrhundert auf Grund eines neuentdeckten Keisetage- 
buchs im Archiv der gräflichen Familie Bethlen, mit anhei¬ 
melnden Betrachtungen über die Bedeutung des Kunstmäze¬ 
natentums aus Anlaß einer 20.000 Kronen-Stiftung für die 
ungarischen bildenden Künstler, 
Einen hervorragenden Platz nehmen in dieser Sammlung 
historische Studien ein. Bei aller Gründlichkeit, die er in der 
Quellenforschung bekundet, ist Tisza immerhin kein Histori¬ 
ker von Zunft. Unwillkürlich greift der Politiker durch, der 
leidenschaftlich Partei nimmt. Allerdings erhebt sich das, was 
uns dieserart geboten wird, hoch über das Niveau einer poli¬ 
tischen Streitschrift, ist aber doch in jedem Abschnitt der 
treue Spiegel von Tiszas politischen und sozialen Grundsätzen. 
Typisch in diesem Belange ist die umfangreiche Studie „Von 
Sadowa bis Sedan“, deren Grundrisse Tisza noch in dem 
Geszter Kefugium entworfen haben dürfte, und mit der er als 
neugewähltes Mitglied der Ungarischen Akademie debütiert. 
Datenmäßig scheinen die bewegten Ereignisse von 1866 bis 
1870 erschöpfend dargestellt, plastisch tritt uns die Entwick¬ 
lung Bismarcks, vom Diplomaten am bonapartistischen Hofe 
bis zum kriegsbereiten Antifranzosen, vor Augen, aber zwi¬ 
schen den Zeilen spricht auch vernehmlich der Antifranzose 
Tisza, der Bewunderer preußischer Organisation, der seine 
Dreibundfreundlichkeit hier schon vorwegnimmt. Er rügt die 
Kurzsichtigkeit der französischen Politik von damals, die es 
nicht verstanden hat, die deutschen Einheitsbestrebungen zum 
eigenen Nutzen zu fördern oder sie doch zumindest nicht zu
	        
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