Volltext: Graf Stefan Tisza

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Monate endlich besänftigt werden soll, von einer Seite Veto 
erhoben, von der man es am allerwenigsten erwartet hätte. Die 
Krone verwahrt sich gegen die Gültigkeit der Resolution, in 
der sie einen Eingriff in ihre ursprünglichen Rechte erblickt, 
und dem Kabinett Khuen-Hederväry bleibt nach dieser Blo߬ 
stellung nichts übrig als seinen augenblicklichen Rücktritt zu 
beschließen. 
Ein zweites Mal hat sich nun der Einfluß des Erzherzogs 
Franz Ferdinand gegen das ungarische Parlament durch¬ 
gesetzt und den Politikern der Konsolidierung ein Schnippchen 
geschlagen. Vor Jahren hat er einmal schon in der Wahl¬ 
rechtsfrage den alten Monarchen umgestimmt und im Interesse 
der föderativen Neugestaltung der Monarchie eine Politik der 
„demokratischen Reformen“ inauguriert, die im Endeffekt 
weder der Sache der konstitutionellen Erneuerung, noch jener 
der Entwicklung zur Demokratie förderlich war. Seit einiger 
Zeit breitet sich nun von dem Wiener Belvedere, der Residenz 
des Thronfolgers, eine neue Welle der Aktivität nach allen 
Richtungen aus. Gerade in diesen Wochen ist eine völlige Neu¬ 
besetzung in den führenden Stellen der Armee und der k. u. 
k. Ämter durchgeführt worden. Conrad v. Hötzendorff muß 
von der Spitze des Generalstabs scheiden, der Kriegsminister 
Schönaich, der den ungarischen Opponenten gegenüber nicht 
genügend Energie bekundet haben soll, wird von Ritter v. 
Auffenberg, der gemeinsame Finanzminister Baron Burian 
von Bilinski abgelöst. Nimmt man hinzu, daß auch das Außen¬ 
ministerium nach dem Ableben des Grafen Aehrenthal ■— der 
sich mit dem Thronfolger nie recht verstand —- just um diese 
Zeit in der Person Berchtolds einen neuen Chef empfängt, so 
befindet man sich innerhalb weniger Wochen einer völlig 
neuen Garnitur in der k. u. k. Leitung gegenüber. Von den 
neuen Männer unterstützt, wagt Franz Ferdinand wieder 
einmal einen Vorstoß gegen die „ungarischen Oligarchen“. 
Sein Vertrauensmann Auffenberg verhandelt im Geheimen 
mit dem Extremnationalisten Justh, um die ungarische Na¬ 
tionalfront abermals durch die Vorschiebung der Wahlreform 
zu kompromittieren. Und indem der Thronfolger bei der 
Krone gegen den Pakt der ungarischen Parlamentarier von 
gemäßigter Färbung Stimmung macht, will er in erster Reihe 
seine siebenundsechziger Feinde, Männer wie Tisza und And- 
rässy, treffen, die sich jeder Umgestaltung der Monarchie nach 
trialistischer oder föderalistischer Richtung gerade mit Be¬
	        
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