Volltext: Graf Stefan Tisza

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FANATISCHE WERBUNG 
„Ich empfand die furchtbare Qual, 
die der Klarsehende empfindet.. 
Als im Januar 1910 der Altfinanzminister Ladislaus Lu- 
käcs im Zustande völliger parlamentarischer Auflösung mit 
den ratlosen Parteiführern verhandelt, befindet sich Graf Ste¬ 
fan Tisza wieder auf seinem Posten und in seinem Element. 
Es war kein Dornröschenschlaf, der ihn fast vier Jahre lang 
vom politischen Geschäft fernhielt. Er sah, merkte, registrierte 
inzwischen und spähte nach dem psychologischen Moment, in 
dem sein Hervortreten das Alarmsignal für eine Ab- und Um¬ 
kehr en masse, für eine Halbierung der gesprengten liberalen 
Kampfgemeinschaft unter neuer Flagge bedeuten wird- Schon 
seit Monaten hat er sein Hauptquartier wieder nach der unga¬ 
rischen Metropole verlegt. Aber nach seiner großen Magnaten¬ 
hausrede verhält er sich immer noch abwartend. Der „Natio¬ 
nale Geselligkeitsklub“, dieser soziale Treffpunkt der alten 
Liberalen, in dem nun Tisza aufs regste verkehrt, trägt nach 
außen keinen politischen Charakter und enthält sich jeglicher 
öffentlichen Stellungnahme. Aus dieser scheinbaren Reser¬ 
viertheit läßt sich Tisza auch durch die ganze Kette der Ent¬ 
wirrungsversuche nicht herausreißen. In Wirklichkeit ist er 
bereits wieder der Mann, dessen Gegenwart empfunden und 
benötigt wird, den man an erster Stelle zu Beratungen heran¬ 
zieht, der sich mit den Politikern der verschiedensten Schattie¬ 
rungen in stetigem Kontakt befindet und vom König mit dem 
alten Vertrauen angehört wird. Aber selbst ein Zusammengehen 
mit Lukäcs widerstrebt ihm vorerst noch aus zweifachen Grün¬ 
den: fürs erste, weil Lukäcs u. a. auch eine Kabinettsbildung mit 
Hinzuziehung der zerfallenden Koalition in Kombination zieht, 
sodann und hauptsächlich aber, weil unter den Programm¬ 
punkten, die dieser alte Praktikus als Verhandlungsbasis aus
	        
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