Volltext: Graf Stefan Tisza

13. 
VOX POPULI 
„Wir haben die Form verletzt, um die 
Verfassung selbst zu retten.“ 
Sieg also? Hat der Parlamentsputseh vom 18. November 
in der Tat dem üblen Geplänkel vieler Jahre, dem unverant¬ 
wortlichen Spiel mit Worten ein Ende gesetzt und die parla¬ 
mentarische Redefreiheit, die „freie Willensäußerung der 
Nation“ — was in Tiszas Augen mit der unbehinderten 
Aktionsfreiheit der parlamentarischen Mehrheit gleichbedeu¬ 
tend ist — gerettet? Wird man nun nach Herzenslust schaffen 
und repräsentieren, von Budapest aus auf die Leitung der 
Monarchie erhöhten Einfluß nehmen dürfen, alldies mit einer 
kompakten Bevölkerungsmehrheit im Rücken, die dem Ge¬ 
schehenen freudig zustimmt? 
Wäre Tisza der Mann, den Volksstimmungen auf horchen 
und aushorchen machen und von der Stimme in der eigenen 
Brust ablenken, so hätte ihn das Raunen der Parteiklubs und 
der Straße alles eher denn zuversichtlich gestimmt. Die Libe¬ 
rale Partei scheint zwar vom Schwung der eigenen Aktivität 
berauscht und schart sich inniger und gläubiger als je zuvor 
hinter ihren Führer. Aber im anderen Lager gärt es. unheim¬ 
lich. Schon am 19. November wird unter der nominellen 
Führung Franz Kossuths aus sämtlichen Oppositionsparteien 
ein Exekutivkomitee gebildet, das zunächst die Aufgabe hat, 
die Entrüstung ob der begangenen Willkür ins ganze Land zu 
tragen. Vollvsversammlungen in der Hauptstadt und in der 
Provinz, Arrangements, wie die Bekränzung nationaler Denk¬ 
mäler, ein effektvoller Aufzug im Budapester Friedhof an die 
Gräber der Freiheitshelden sollen alle vaterlandstreuen Ge¬ 
müter gegen die „unerhörte Rechtsverletzung“ im Parlament 
mobil machen. Linksradikale, wie Polonyi und Lengyel, nehmen 
keinen Anstand, selbst die Universitätsjugend zu alarmieren.
	        
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