Volltext: Milde Beiträge zur Sitten- und Kunstgeschichte (1)

Sprachliche Eigentümlichkeiten der Vulgata. 201 
Der heilige Papst Damasus (366--3384) war es, der, wie 
sonst, so auch hier seine organisatorische Umsicht bewährte. Ihm 
kam dabei zu Hilfe, daß er jemanden neben sich hatte, der zur 
Hebung jenes Uebelstandes wie kein anderer geeignet war. 
Damals nämlich lebte zu Rom der hl. Hieronymus, der 
nach langen Studien, weiten Reisen und hartem Büßerleben 
im Jahre 382 zu einer Synode eingeladen worden war und 
seitdem das ganze Vertrauen des Papstes gewonnen hatte. Sein 
schriftstellerischer Ruf, sowie die allgemein anerkannte Heiligkeit 
seines Lebens befähigten ihn vor allen zu einem Unternehmen, 
das auf unbedingtes Vertrauen Anspruch machen mußte, und 
ihm übertrug Damasus die Aufgabe, einen einheitlichen Bibel— 
text für die abendländische Kirche herzustellen. 
Ueber die Grundsätze, wonach er diese Arbeit einzurichten 
beschloß, spricht Hieronymus sich in der Praefatio ad Damasum 
aus, welche sich gewöhnlich den lateinischen Evangelien vorauf— 
gedruckt findet. Er wollte nicht eine neue Uebersetzung an die 
Stelle der alten setzen, sondern die mannigfach entstellte Itala— 
auf ihren ursprünglichen Wortlaut zurückführen. Er nahm des— 
wegen möglichst alte griechische Bibelhandschriften, weil deren 
Text dem Original der Itala am nächsten kommen mußte und 
besserte darnach nur diejenigen Stellen, welche in der ihm vor— 
liegenden Form unrichtig übersetzt waren. Alles andere, das mit 
dem Original übereinstimmte, ließ er, auch wenn es sprach— 
widrig ausgedrückt war, unangetastet stehen, um den herkömm— 
lichen Ausdruck zu ehren und Schwachen keinen Anstoß zu geben. 
Auf diese Weise verfahrend, konnte er dem Papste schon 383 
die vier Evangelien, bald nachher die übrigen Bücher des Neuen 
Testamentes, wie auch den Psalter in der verbesserten Gestalt 
überreichen. Die so hergestellten Texte befahl der hl. Damasus 
sogleich in die römische Liturgie einzuführen. Da sie sich von 
Rom bald weiter durch Italien verbreiteten, erhielt der Psalter 
zum Unterschied von dem früher gebräuchlichen Text, dem 
Psalterium vetus, den Namen Pssalterium Romanum und 
ist unter diesem Namen noch heute im römischen Meßbuch, im 
Offizium der Peterskirche zu Rom, im Invitatorium und in den 
Responsorien des römischen Breviers in Gebrauch. Das Neue 
Testament ward bald in der ganzen abendländischen Kirche ver— 
breitet und ist seit dieser Zeit bis heute in unausgesetztem Ge— 
brauch geblieben. 
Mit der „eilig“ geschehenen Revision des Psalmentextes 
indessen war Hieronymus selbst, der sich inzwischen nach Beth— 
lehem zurückgezogen hatte, nicht recht zufrieden, und da er in 
Palästina einen der wichtigsten Septuagintatexte, nämlich jenen 
in den Hexapla des Origenes, hatte einsehen können, so unter— 
nahm er im Jahre 392 eine neue Emendation des lateinischen
	        
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