Volltext: Milde Beiträge zur Sitten- und Kunstgeschichte (1)

190 Sprachliche Eigentümlichkeiten der Vulgata. 
für die Erbauung des Einzelnen, für die wissenschaftliche Er— 
läuterung des Vulgatatextes sehr empfohlen werden. Ihr Wert 
ergibt sich aus ihrer inhaltlichen (dogmatischen) und bis zu einem 
gewissen Grade auch buchstäblichen (kritischen) Integrität. 
Wie bekannt, ist aber der sprachliche Ausdruck der Vulgata 
vielfach von demjenigen verschieden, welchen wir aus den 
lateinischen Klassikern kennen. Umsonst wäre oft die Mühe, die 
wir auf die Lesung der Vulgata verwendeten, wenn wir die 
eigentümliche Sprachform nicht kennen oder nicht beachten 
würden, in der sie uns ihren bedeutungsvollen Inhalt ver— 
mittelt. Es ist darum gewiß eine lohnende Aufgabe für die 
nachfolgenden Zeilen, durch die, wenn auch nur skizzenhafte 
Darstellung ihres Sprachcharakters zum Verständnisse und zur 
Wertschätzung dieser altehrwürdigen Uebersetzung beizutragen. 
Da die sprachliche Form der Vulgata die beste Erklärung 
in der Geschichte ihres Entstehens findet, so soll zuerst diese 
erzählt werden. Dann werden sich die Einflüsse, die den Sprach— 
charakter bedingten, an Beispielen leicht nachweisen lassen. 
Die Sprachen der Heiligen Schrift. 
Keines der Bücher der Heiligen Schrift wurde in lateinischer 
Sprache verfaßt. Wie sie der Zeit und dem Orte ihrer Entstehung 
nach weit auseinander liegen, so sind sie auch in drei ver— 
schiedenen Sprachen verfaßt worden, der hebräischen, chaldäischen 
und griechischen. 
Die hebräische Sprache gehört mit dem aramäischen, 
dem arabischen und dem assyrischen Sprachzweige zum semitischen 
Sprachstamme. Sie wurde zuerst von den Bewohnern der Land— 
schaft zwischen dem Mittelmeere und der arabischen Wüste 
gesprochen, dann von den erobernd daselbst auftretenden Kanga— 
anitern, von den Klassikern Phönizier genannt, angenommen 
und endlich von diesen dem Babylonier Abraham und dessen 
Nachkommen, den Juden, übermittelt. Der Name hebräisch 
stammt aus der Bezeichnung, welche die Juden bei den benach— 
barten Stämmen fanden. Bei diesen hießen sie Ibrim „die 
Jenseitigen“ (vom Euphrat), nach dem Beinamen, welchen 
zuerst Abraham getragen hatte (Vulg. Abram Hebraeus Gen.! 4,13). 
Außer den Israeliten sprachen auch noch die Moabiter, Ammoniter, 
Edomiter, Phönizier und Punier hebräisch. 
In der Reihe der semitischen Sprachen gehört das Hebräische 
nicht mehr zu den altertümlichen, sondern zeigt schon bei seinem 
ersten Auftreten in der Literatur eine Ausbildung, welche auf 
eine lange vorausgegangene sprachgeschichtliche Entwicklung 
hindeutet. Die Kanganiter oder Phönizier wären nämlich bereits 
ein hochgebildetes Volk, dessen Sprache schon vor Israels Ueber—
	        
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