Volltext: Milde Beiträge zur Sitten- und Kunstgeschichte (1)

3 Von der alten und neuen Schule. 
nachmittags zwei Stunden; es werden wöchentlich zweimal 
Hausaufgaben gegeben und das Resultat? 
Ich verweise auf den Umstand, daß man für Eymnasien 
eine Vorbereitungsklasse errichten mußte, weil die Schüler aus 
der Volksschule nicht reif waren. Die Sache stand vor Jahren 
in den Zeitungen. 
Ich verweise auf den weiteren Umstand, daß Schüler, welche 
ins Gymnasium eintreten wollen, einen Vorunterricht in der 
deutschen Sprache nehmen müssen, damit sie im Gymnasium 
bestehen können. Wiederholt haben sich Eltern bei mir beklagt, 
daß ihre Söhne, die in der Volksschule die besten Klassen um 
Deutschen hatten, in den ersten paar Jahren im Gymnasium 
schlechte Klassen erhielten, weil die Eltern es versäumten, vor 
dem Eintritte ins Gymnasium nachhelfen zu lassen, trotzdem 
es ihnen geraten wurde. Aus eigener Erfahrung weiß ich, daß 
Kinder in der 5. Klasse noch miserabel lesen, daß die Eltern 
den Kindern zu Hause bei ihren Aufgaben helfen müssen, ins— 
besondere, daß Kinder nicht denken können. Ich habe in dieser 
Beziehung sehr viel erfahren und, wie ich, so andere, so daß 
man getrost sagen kann, die Neuschule steht mit ihren Erfolgen 
in keinem großen Ansehen in der Bevölkerung und die Herren 
Stadtschullehrer täuschen sich selbst, wenn sie glauben, daß die 
Schule im Volke immer mehr an Boden gewinne. 
Der Grund dieses Mißerfolges liegt darin, daß die Gründer 
der Neuschule den Zweck der Volksschule gar nicht richtig auf— 
gefaßt haben. Sie haben daher Stoffe in die Volksschule ge— 
tragen, die gar nicht in dieselbe gehören, sondern in die Mittel— 
schule. Nebenbei bemerkt, es hätte doch jedem Menschen gleich 
verständlich sein müssen, daß acht Jahre Schulzeit für die 
Volksschule zu viel sind. Um die acht Jahre plausibel zu machen, 
wurde der Lehrstoff vermehrt. 
Die Realien gehören einmal nicht in die Volksschule. Ein 
Mensch kann nur dann von denselben einen Nutzen haben, 
wenn er in einem Alter ist, in welchem er die Stoffe bewäl— 
tigen kann, wenn er die nötige Vorbereitung hat, wenn er sie 
in hinreichendem Umfange empfängt und wenn er sie im Leben 
braucht. Nun wird man doch zugeben müssen, daß das, was 
die Volksschule in den Lesestücken in Geographie, Geschichte usw. 
bietet, sehr homöopathische Dosen sind, ja weniger als solche. 
Man wird zugeben müssen, daß es für eine Magd oder für 
einen Knecht nicht notwendig ist, zu wissen, wann Venedig ist 
gegründet worden usw. Gerade darum, weil die meisten Kinder, 
wenn sie aus der Schule austreten, gar nicht mehr Gelegen— 
heit haben, sich mit diesen Gegenständen zu beschäftigen, darum 
haben sie innerhalb eines Jahres alles gründlich vergessen und 
die ganze Mühe des Lehrers ist eine vergebliche gewesen. Man
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.