Volltext: Kreuzweg eines Kaisers

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man annahm, der Kaiser wolle aus Österreich desertieren; 
man hörte auch Stimmen, daß Ungarn ihm nicht die nötige 
Sicherheit bieten würde. Kein Zweifel, in dieser Krise war 
keines der Länder ein Ruhehafen, aber das focht Ihre 
Majestäten nicht an. Sie wurden vor den Banden von 
Marodeuren gewarnt, die sich in den Wäldern von Gö- 
döllö, ihrem Landsitz in der Nähe von Budapest, herum 
trieben, hungrigen, zerlumpten, verzweifelten Menschen, 
aber der Kaiser antwortete nur, das alles würde ihn nicht 
davon abhalten, sich ein oder zwei Tage lang dem Ver 
gnügen einer Fasanenjagd hinzugeben. 
Am 24. Oktober trafen aus Fiume Meldungen über eine 
Meuterei ein. Die Vorgänge in Wien erheischten die An 
wesenheit des Monarchen. Am 26. eilte er mit der Kaiserin 
dorthin, wo die Gefahr am größten war. Er setzte sich da 
mit dem späteren Vorwurf aus, Ungarn in seiner schwär 
zesten Stunde im Stich gelassen zu haben. Der Eisenbahn 
verkehr war bereits in Unordnung geraten; die Fahrt 
dauerte dreizehn Stunden lang statt viereinhalb. Es war 
das eine trübe, traurige Fahrt durch Nebel und Regen und 
allgemeine Verzweiflung. 
Die Kaiserkinder folgten erst einige Tage später in Auto 
mobilen. Eine nette Geschichte wird aus jenen Tagen vom 
Kronprinzen erzählt. Die Abfahrt verzögerte sich; das 
schon ungeduldige Kind ging aus dem Zimmer hinaus zur 
obersten Stufe der Treppe. Ein Gruppe Soldaten hatte 
sich unten angesammelt; sie hatten nichts Gutes im Sinn. 
Laut lachten sie auf, als sie die kleine Persönlichkeit in 
der Uniform eines ungarischen Offiziers sahen. Otto arg 
wöhnte nicht einen Augenblick lang, daß etwas nicht in 
Ordnung sei. Er war an allgemeine Zuneigung gewöhnt, 
so lächelte und salutierte er. Da geschah ein Wunder. Ge 
wiß hatten viele von diesen Männern Kinder daheim. Die 
Ungarn vergöttern ihre Kinder. Ganz unvermittelt lös 
ten sich Hochrufe von den Lippen der Meuterer. Sie tön
	        
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