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Zusammenbruch in hohem Maße verantwortlich. Tisza
und Wekerle waren — mögen ihre Absichten noch so gut
gewesen sein — die Urheber des Verhängnisses.
Dunkle Wolken zeichneten sich auch vom polnischen Him
mel ab. Die Schuld trug die selbstsüchtige Politik Preu
ßens. Die polnische Frage war lange ein Prüfstein für die
Festigkeit des österreichisch-deutschen Bündnisses. Es gab
vier mögliche Lösungen: i. Es konnte der größere Teil
Polens unter russischer Herrschaft bleiben; 2. mit Öster
reich-Ungarn, 3. mit Deutschland zusammengelegt wer
den oder 4. einen unabhängigen Pufferstaat zwischen
Deutschland und Rußland bilden, der aber unfehlbar von
einem der beiden annektiert worden wäre, sobald die
Wunden des Krieges geheilt wären. Die zweite Lösung
war für kluge Polen, die Deutschland fast ebenso sehr
fürchteten wie Rußland, sicher die annehmbarste. Sie be
deutete die Vereinigung mit Galizien, das unter der öster
reichischen Herrschaft frei und glücklich gewesen war, der
Wiener Regierung politische Unterstützung geboten und
das Österreich viele Staatsmänner gegeben hatte. Die
Polen erinnerten sich auch, daß sie in ihren Bemühungen,
das russische Joch abzuschütteln, wiederholt von Öster
reich-Ungarn, niemals aber von Deutschland unterstützt
worden waren. Welche Seite immer gewann, sie konnten
mit der Unabhängigkeit rechnen. Ein Lieblingsplan war
die Errichtung eines eigenen, unter Kaiser Karl als König
von Polen mit Österreich verbundenen Königreichs Polen.
Das gefiel aber nicht den Ungarn, die darin einen Trialis
mus sahen, der die Stellung Ungarns schwächen könnte,
und den Deutschen in Österreich, die von dem Zuwachs
an Slawen Schwierigkeiten befürchteten. Jedenfalls war
die sofortige Übergabe Galiziens an ein polnisches König
reich im Kriege unmöglich. Das hätte die militärische Lage
an einer ausgedehnten Front unhaltbar gemacht; zahl
reiche Galizianer wären von ihren zivilen und militäri-