Volltext: Kreuzweg eines Kaisers

Frage.' Schon dieser erste Satz war ein Hieb. Er wollte 
mir damit zu verstehen geben, daß er dabei das entschei 
dende Wort zu reden hätte. Ich parierte sofort: ,Gewiß 
muß diese Personalangelegenheit mit Sorgfalt behandelt 
werden. Aber für so besonders zvichtig möchte ich diese 
Frage doch nicht ansehen; denn schließlich handelt es sich 
doch nur um die Besetzung eines politisch ganz indiffe 
renten Postens in der Schreibstube Seiner Majestät. Übri 
gens hat der Kaiser die Gnade gehabt, gleich anläßlich 
meines ersten Vortrags diese Frage sehr eingehend mit 
mir zu besprechen und mich zu beauftragen, ihm einen 
diesbezüglichen Vorschlag zu erstatten. Ich wäre Exzel 
lenz sehr dankbar, wenn Sie mich hierbei unterstützten.' 
Graf Tisza: ,Es wäre gewiß ein Fehler, die Bedeutung 
dieser Stelle zu überschätzen, ln diesen Fehler wird auch 
niemand verfallen. Der älteste ungarische Beamte der 
Kabinettskanzlei ist derzeit Hof rat Baron Nagy. Dieser 
wäre für die Stelle ganz ungeeignet; denn er spricht und 
schreibt nur mangelhaft Ungarisch und ist mit den hiesi 
gen Verhältnissen ganz unvertraut. Sein Bruder dient doch 
— wie ich weiß — bei einem böhmischen Regiment?' 
Ich: ySoviel ich weiß, ist der Bruder des Hofrats Baron 
Nagy Oberstleutnant in der gemeinsamen Armee.' 
Graf Tisza: ,Nun, wie gesagt, Baron Nagy eignet sich 
nicht, denn für die Ausfüllung dieser Stelle bedarf es der 
genauen Kenntnis der ungarischen Verhältnisse und der 
tadellosen Beherrschung der ungarischen Sprache. Beides 
trifft bei Baron Nagy nicht zu.' 
Ich: ,Die Kenntnis der ungarischen Sprache ist allerdings 
notwendig, um so mehr als ich erfahren habe y daß die 
ungarischen Gesetze seit längerer Zeit nicht mehr ins 
Deutsche übersetzt wurden, wie dies früher üblich war. 
Übrigens ist mir — ich selbst kann es nicht beurteilen — 
von vielen Seiten versichert worden, daß Baron Nagy die 
ungarische Sprache vollkommen beherrscht.' 
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