Volltext: Die Lebensbeschreibung Severins als kulturgeschichtliche Quelle (2 ; 1903)

nach Beziehungen zu anderen in vollständiger Ausdehnung vorhan 
denen Lehrmeinungen sucht. Es ist oben schon darauf hingewiesen 
worden, daß Severins Auffassung des Zehenten besonders mit der 
jenigen des Cyprian und Hieronymus, sein Bestreben, Loskaufskassen 
ins Leben zu rufen, besonders mit Gedankengängen eines Tertullian, 
Laktanz und Ambrosius sich berührt. Die „humanitas“, die als 
Verpflichtung der iustitia den Menschen gegenüber Laktanz gepriesen 
hatte, hat auch Severin im Munde geführt, als er der Witwe Procula 
vorwarf, daß sie die humanitas den Menschen versagt habe 1 ), und den 
Lehrer des Augustin, Ambrosius, zitierte der Verfasser der vita, 
Eugippius 2 ), der selber einen Auszug aus den Schriften Augustins 
an gefertigt hat 3 ). Die dem Ambrosius geoffenbarten Reliquien der 
Märtyrer Protasius und Gervasius, von denen auch Augustin berichtet 4 ), 
hat Severin in seiner Klosterkirche niedergelegt 5 ) und auch durch diese 
Tat seinen Zusammenhang mit dem Anschauungskreis des Ambrosius 
bekundet. Gewiß sind die Traditionen der afrikanischen Schule und 
die Gedanken ihres größten und genialen Vertreters, des Verfassers der 
„Civitas Dei“, im Kreise des Severin und seiner Schüler gepflegt und 
gehegt worden. 
Die Worte Severins selber an den italischen Presbyter Primenius, 
deren die epistola des Eugippius an Paschasius Erwähnung tut, und 
die Unterscheidung der patria terrena und der patria superna 6 ) 
scheinen doch offenbar von Augustins Scheidung der „terrena civitas“ 
und „caelestis civitas“ in gewisser Weise beeinflußt zu sein 7 ), obwohl 
*) Vita Severini cap. 3,2: humanitatem piscibus exhibeas, quam hominibus denegasti (p. 13, 29). 
2 ) Cap. 36, 2: beatus Ambrosius Mediolanensis episcopus (p. 44, 9). 
3 ) Vergl. darüber Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter I 47. Dümmler, 
Das Formelbuch des Bischofs Salomo III. von Konstanz S. 65. Bernoulli, Die Heiligen der 
Merowinger S. 57h Hermann Reuter, Augustinische Studien S. 473 Anm. I. Mommsen, Pro- 
oemium zur vita Severini p. VIII. 
4 ) Ambrosius ep. 22. Augustini Confessiones IX 7. Vergl. Tillemont, Memoires de l’hist. 
eccl. II. Saint Gervais et Saint Protais. Martyrs ä Milan. 
5 ) Cap. 9, 3: qui debito sanctorum Gervasii et Protasii martyrum reliquias honore suscipiens 
in basilica, quam in monasterio construxerat (p. 21, 11). 
6 ) Eugipii epistola 9: quo mereatur dextris socius fieri et supernae patriae civis ad- 
scribi? — quid te necesse est terrenam cognoscere, quam requiris ? (p. 4, 13 und 15). 
7 ) De civitate Dei 15, 8: quam terrenam dicimus civitatem. 19, 17: haec ergo caelestis 
civitas, dum peregrinatur in terra, ex omnibus gentibus cives evocat, non curans quidquid in mo- 
ribus, legibus institutisque diversum est. 
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