Volltext: Die Lebensbeschreibung Severins als kulturgeschichtliche Quelle (2 ; 1903)

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zu dem des Basilius zu behaupten, daß Severin in Kleinasien ge 
wesen sei. 
Die Entscheidung der Frage, welches das Vaterland des heiligen 
Severin war, ist dagegen ungemein schwierig. Mommsens Text der 
epistola Eugippii gibt die Worte: „loquela tarnen ipsius manifestabat 
hominem omnino Latinum“ (p.5, 1). Statt „manifestabat“ haben zahlreiche 
Handschriften die Worte „africanum testabatur“, und diese Lesart ergibt 
meines Erachtens den einzig richtigen Sinn. Was sollte der Satz: „Nach 
seiner Sprechweise offenbarte er sich als einen Mann von durchaus 
lateinischer Abkunft“ überhaupt heißen? Wäre es dem Eugippius, der 
selber einer römischen Familie entstammte 1 ), auf gef allen, daß Severin 
lateinisch sprach? Oder wäre diese Sprechweise in Norikum aufgefallen, 
wo die römische Sprache frühzeitig Eingang 2 ) gefunden hat? Einen 
wieviel besseren Sinn erhält aber der Satz, wenn wir jenen Handschriften, 
die den Severin für einen Römer aus Afrika ausgeben, folgen. Denn 
es ist bekannt, daß man dem Afrikaner im Ton der Rede immer seine 
Abstammung anhörte, wie beispielsweise sogar dem Kaiser Severus, 
der ein Afrikaner war 3 ). Zudem war die Familie der Severi eine afri 
kanische Familie. 
Nehmen wir die afrikanische Abstammung des Severin an 4 ), so liegen 
auch Vermutungen über die Gründe nahe, derentwegen er sein Heimat 
land verlassen haben kann. Wir wissen, daß Geiserich, der König der 
4 ) Büdinger, Eugippius, Wiener Sitzungsberichte 1878. 91, 796. Bernoulli, Die Heiligen der 
Merowinger S. 56. 
2 ) Mommsen, Römische Geschichte V 4 (1894) S. 181. Wie lange sie freilich in Norikum 
Bestand gehabt hat, wird sich schwer entscheiden lassen. In den Moselgegenden beispielsweise 
ist sie im 5. Jahrhundert geschwunden. Arbogast an der Mosel soll dort um 470 nach Sidonius 
Apollinaris der einzige gewesen sein, der noch Roms Sprache in Reinheit bewahrte (Georg 
Kaufmann, Rhetorenschulen und Klosterschulen. Räumers Histor. Taschenbuch IV. Folge 
10. Jahrgang 1869 S. 30). 
3 ) Mommsen, Römische Geschichte V 656. Ebendort S. 658 Anm. über das Vulgärlatein, 
das wir vorzugsweise aus afrikanischen Quellen kennen. Rettberg, Kirchengeschichte Deutsch 
lands I 230 A. 2 meint, wer punisches Latein rede, könne kaum omnino Latinus heißen. 
4 ) Gegen Severins Abstammung aus Afrika erklärt sich Büdinger, Österreichische Geschichte 
1858 I 47, für einen „geborenen Lateiner“ hält ihn Wattenbach, Deutschlands Geschichts 
quellen 1885 I 45, nach Rettberg, Kirchengeschichte Deutschlands I 230 und Nitzsch, Geschichte 
des deutschen Volkes 1892 I 139 ist er „vielleicht aus Afrika“. Nach Hauck, Kirchengeschichte 
Deutschlands 1898 2 I 351 hat er seine Jugendtage in Afrika verlebt, nach Bernoulli, Die 
Heiligen der Merowinger S. 47 ist er Afrikaner lateinischer Abkunft. 
Severins 
Flucht aus 
Afrika.
	        
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