Volltext: Die Lebensbeschreibung Severins als kulturgeschichtliche Quelle (2 ; 1903)

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Severins 
Heimat. 
Staatsideals bei Laktanz zuerst geregt und bei Basilius, Johannes 
Chrysostomos und Ambrosius voll entfaltet hatten, liegen ihm fern. 
Das was oben über die Einrichtung des Zehenten, die Severin ge 
troffen hat, ausgeführt worden ist, zeigte uns den Heiligen von Norikum 
in geistiger Abhängigkeit von den orientalischen wie von den afrika 
nischen Kirchenlehrern und zugleich von den Lehrmeinungen der römi 
schen Schule, die die Erbin der nordafrikanischen gewesen ist. In der 
Art und Weise, wie Severin seine Stellung auffaßte, wirkte jene charis 
matische Anschauung der alten Kirche, ja der apostolischen Zeiten nach. 
Severins Mönchtum, wie es sich in Anlage und Gestalt der Klöster 
und in der Benennung des Klostervorstehers kundgab, nahm eine Mittel 
stellung zwischen dem älteren orientalischen Anachoretentum und dem 
späteren abendländischen Klosterwesen ein, und die Beobachtung der 
Horen in seinem Kreise war uns gleichfalls ein Zeugnis für diese Mittel 
stellung. 
Es gibt aber noch andere Anhaltspunkte in der vita, vermöge deren 
wir schließen können: aus dem Anschauungskreis des orien 
talischen und vornehmlich des afrikanischen Christentums 
ist die Tätigkeit des heiligen Severin in Norikum hervor 
gegangen. 
Daß Severin im Orient war, sagt uns die vita und die epistola des 
Eugippius: „Es steht fest, daß er sich früher aus Sehnsucht nach einem 
vollkommeneren Leben in eine Wüste des Orients zurückgezogen hat. 
So nannte er selber oft in dunkler Rede einige Städte des Orients und 
deutete an, er sei den Gefahren einer unendlich langen Reise wunderbar 
entronnen“ 1 ). Die Annahme Mommsens, daß unter diesem Aufenthalt 
des Severin im Orient ein Aufenthalt in Ägypten gemeint sei 1 2 ), erscheint 
mir freilich nicht begründet. Ich stehe nicht an, auf Grund der oben 
im Versuch dargelegten Beziehungen Severins und seines Mönchtums 
1 ) Epistola ad Paschasium io (p. 5, 2): quem constat prius ad quandam Orientis sölitudinem 
fervore perfectioris vitae fuisse profectum. — sicut ipse clauso sermone referre solitus erat, 
nonmillas Orientis urbes nominans et itineris immensi pericula se mirabiliter transisse signi- 
ficans (p. 5, 7). Vergl. vita cap. 1,1: de partibus Orientis adveniens (p. 11, 5). 
2 ) Prooemium ad vitam p. V: postquam in Oriente, Aegypto fortasse, per aliquot annos 
vitam solitariam egit. Auch der Artikel „Bayern“ in Wetzers und Weltes Kirchenlexikon 
1883 II 2 93 und Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter 1885 I 45 nehmen 
an, Severin habe in der Einsamkeit der thebaischen Wüste geweilt.
	        
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