Volltext: Die Lebensbeschreibung Severins als kulturgeschichtliche Quelle (2 ; 1903)

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er unter den Einwirkungen Severins noch kurz vor dessen Tode 
„seine künftigen Fähigkeiten im voraus erkannt“ und wohl auch „ent 
wickelt“ hat 1 ). 
Eine besondere Bedeutung hat die vita Severini für die Beurteilung Einrichtung 
der Frage nach Entstehung und Ausbildung des kirchlichen Zehenten. des 
Zehenten. 
Die Aida%r} aus der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts hat unter dem Ein 
fluß des mosaischen Zehentrechtes das Zehentgebot als Rechtsgebot für 
die Christen aufgestellt. Der Zehente soll aus den Erträgnissen von 
Ackerbau und Viehzucht, aber auch von Geld und Kleidern gezahlt 
werden. Hinsichtlich der Verwendung aber wird ein doppeltes be 
stimmt: die Gabe an die Propheten soll für den Fall, daß keine Pro 
pheten vorhanden sind, eine Gabe an die Armen werden * 2 ). Auch 
Cyprian, der im 3. Jahrhundert das Zehentgebot in der abendländischen 
Kirche zur Einführung bringen wollte, kennt jene doppelte Art der 
Verwendung: in ep. I, 1 erscheint der Zehente als Mittel zum Unter 
halt des Klerus 3 ), im 26. Kapitel der Schrift „De unitate ecclesiae“ als 
ein fixiertes Almosen an die Armen 4 ). Der aus Ägypten her vorgegangene 
Zeitgenosse des Cyprian von Afrika, Origenes, dagegen erachtet es für 
notwendig, „die Erstlinge aller Früchte und alles Viehes den Priestern 
darzubringen“ 5 ). Anderseits die „Apostolischen Konstitutionen“, die die 
judenchristliche Überlieferung der morgenländischen Hauptkirchen be 
wahrt und zu Ausgang des 3 Jahrhunderts die uns vorliegende griechische 
Übersetzung erhalten haben, fordern einmal eine Entrichtung der Zehenten 
und der Erstlinge an Arme wie Kleriker (II 25. 34), dann wieder eine Ver 
teilung der Zehenten an die Armen, der Erstlinge an die Priester (VII 29), 
und endlich eine Verteilung der*Erstlinge an Bischöfe, Priester und Dia 
konen, der Zehenten an die unteren Kleriker, Jungfrauen, Witwen und 
*) Magni Felicis Ennodi de vita beati Antoni 9: mox tarnen ad inlustrissimum virum 
Severinum ignara fuci aetas evolavit, qui dum eum mulceret osculis, futura in puero bona 
quasi transacta relegebat (rec. Friedrich Vogel, Mon. Germ. Hist. Auct. ant. VII 1885 p. 186, 31). 
Vergl. Glück, Wiener Sitzungsberichte 17 (1855) S. 75 A. 2. Bernoulli, Die Heiligen der 
Merowinger S. 45. 
2 ) Aiöaxrj xvqlov dia rcov dcbdsxa aTiootoXcov cap. 13. Vergl. Sommerlad, Das Wirt 
schaftsprogramm der Kirche des Mittelalters S. 36 f. 
3 ) Corpus script. eccl. lat. Vindob. 1871 III 2, 466. 
4 ) Corpus script. eccl. lat. III 1, 232. Sommerlad a. a. O. S. 67. 
5 ) Homilia 11, 1 in Numeros 18 (Migne, Patrologia graeca 12, 640 f.). Sommerlad a. a. O. 
S. 87.
	        
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