Volltext: Die Lebensbeschreibung Severins als kulturgeschichtliche Quelle (2 ; 1903)

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diesen Befehl gab, die Rugier mit Krieg überzog 1 ), offenbart, daß es 
ihm um Sicherung der Donaugrenze zu tun war, und als ihm dieses 
Vorhaben nicht geglückt war, gab er den Schutz dieser Grenze auf. 
Vielleicht hat er auch den Plan verfolgt, der nahenden Heeresmacht 
der Goten gegenüber alle irgend verfügbaren Streitkräfte zusammen 
zubringen 2 ) oder auch 3 ) in den heimatlosen Bewohnern neue Anbauer 
für die verödeten Landgegenden Italiens zu gewinnen 4 ). 
War es das Ziel des Odovakar, die norische Bevölkerung vor den 
Beutezügen der Barbaren zu sichern, als er seinen Auswanderungsbefehl 
gab, so wäre die Vermutung, der ihm befreundete Severin habe ihm 
diesen Plan eingegeben, nicht von der Hand zu weisen. Hören wir 
doch aus der vita, daß Severin selber in Ufernorikum die Politik befolgte, 
die Provinzialen aus den vom Feinde gefährdeten Städten wegzuführen 
und nach anderen, gesicherteren Orten zu verpflanzen (cap. 27, 28, 31). 
Und die Erkenntnis, daß die Lage der Römer in Norikum unhaltbar 
sei, hat dem Heiligen auch den Wunsch entlockt, sein Leichnam möge 
dereinst in eine römische Provinz gebracht werden 5 ). 
Daß es noch in den Zeiten Theoderichs „Provinciales Norici“ gegeben 
hat, zeigt jenes Schreiben des Königs, das etwa um das Jahr 507 ver 
faßt ist und in dem er jene auf fordert, ihre kleinen, aber arbeitskräftigen 
*) Cap. 44, 4: quapropter rex Odovacar Rugis intulit bellum (p. 52, 19). S. die übrigen 
Berichte über diesen Krieg, namentlich auch die von Kassiodor mitgeteilte Jahreszahl 487 in 
Mommsens Prooemium zu der vita p. VI und VII. 
2 ) Obwohl Odovakars Streitmacht selber schon bedeutend gewesen zu sein scheint (Historia 
miscella bei Muratori, Rerum Italicarum scriptores 1723 I 100. Ennodius, Panegyric. Theoderico 
regi dict. c. 8). 
3 ) Nitzsch, Geschichte des deutschen Volkes 1892 I 140, meint, Odovakar habe sich an 
scheinend bemüht,"den wirtschaftlichen Verfall seines Landes zu hemmen. 
4 ) Die vita cap. 44, 7 erzählt, daß die norischen Auswanderer in Italien Landansiedelungen 
durch das Los erhielten (sortiti sunt sedes p. 53, 20). Über die Bedeutung von sors als 
Landanteil in germanischen Rechtsaufzeichnungen und Diplomen der nächsten Zeiten vergl. 
Grimm, Deutsche Rechtsaltertümer 1899 II 59. Das an die Wandalischen Haushaltungen 
in der afrikanischen Prokonsularprovinz verteilte steuerfreie erbliche Eigentum heißt „sortes 
Vandalorum“. Schmidt, Geschichte der Wandalen 1901 S. 73. 
5 ) Cap. 40, 4: etenim omnes de his oppidis emigrantes ad Romanam provinciam 
pervenient (p. 48, 6). Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands 2. Aufl. 1898 I 352, meint, 
Severin habe bestimmt, daß sein Leichnam nach Italien übergeführt werde. Doch heißt 
,,ad Romanam provinciam“ noch nicht ,,nach Italien“. Vergl. Max Büdinger, Wiener Sitzungs 
berichte 1878, 91, 797.
	        
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