Volltext: Die Lebensbeschreibung Severins als kulturgeschichtliche Quelle (2 ; 1903)

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waren“ 1 ). Uhlhorn schrieb: „Sechs Jahre nach Severins Tode zogen 
sich die Römer völlig aus den Donaugegenden zurück“ 1 2 ). Walter 
Schultze äußerte: „Der bei weitem größte Teil der Provinzialen siedelte 
nach Italien über“ 3 ). 
Julius Jung faßte die Sache so: Die bisher unter rugischer Herrschaft 
gesessenen Römer übersiedelten nach Italien; in Binnennorikum da 
gegen hat sich das römische Volkselement noch durch das ganze 
6. Jahrhundert erhalten 4 ). Auch Albert Hauck sagte: „Der Rückzug 
der Römer war kein vollständiger, im südlichen Norikum hielt sich die 
romanische Bevölkerung“ 5 ). 
Allein, so wenig alle die genannten Forscher es für wahrscheinlich 
erachten, daß alle Provinzialen unter Odovakar ausgewandert seien, 
so sehr waren sie doch eigentlich genötigt (wenn sie das auch nicht 
ausdrücklich bemerkten), den Wortlaut der vita Severini unter Berück 
sichtigung zeitlich späterer geschichtlicher Quellenzeugnisse, die von 
Norikern redeten, anzufechten. Meines Erachtens ist es nun aber nicht 
nötig, die Erzählung des Eugippius und spätere Quellenzeugnisse in 
Gegensatz zu bringen; gerade die erstere bestätigt die letzteren. 
Nach dem, was ich über den Gebrauch der Worte Romanus, pro- 
vincialis und Noricus bei Eugippius ausgeführt habe, scheint die Sache 
so zu liegen: Odovakar hat alle Bewohner Norikums, alle römischen 
Provinzialen von Noricum Ripense wie von Noricum Mediterraneum auf- 
geboten, nach Italien zu wandern, aber nur die Bewohner der Donau 
städte, die Ufernoriker, die beständig vor den vordringenden Germanen 
flüchten mußten und von einer Stadt zur andern gezogen sind, sind 
seinem Rufe gefolgt. Die römische Bevölkerung von Noricum Medi 
terraneum ist dagegen im Lande zurückgeblieben. 
Welche Gründe Odovakars Auswanderungsbefehl veranlaßt haben 
mögen? Die Erzählung der vita Severini, daß Odovakar, noch ehe er 
1 ) Dümmler, Piligrim von Passau und das Erzbistum Lorch 1854 S. 2. 3. 
2 ) Uhlhorn, Die christliche Liebestätigkeit 2. Aufl. 1895 S. 246. 
3 ) Bruno Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte 1891 I 104. 
4 ) Julius Jung, Römer und Romanen in den Donauländern 1887 2 , 251, meint, Eugippius 
habe „gemäß dem Gleichnisse Severins als eines zweiten Moses“ zu zeigen versucht, daß alle 
Römer auf römisches Gebiet abgeführt worden seien. Dabei wird freilich der Wortlaut von 
cap. 44, 7 nicht berücksichtigt. 
5 ) Kirchengeschichte Deutschlands 1898 2 I 353.
	        
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