Volltext: Die Lebensbeschreibung Severins als kulturgeschichtliche Quelle (2 ; 1903)

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Eugippius habe nur die Bewohner von Ufernorikum als Romani be 
zeichnet. Es ist ebensowenig richtig, im Sprachgebrauch des Eugippius 
einen Gegensatz von Romanus und provincialis wie einen Gegensatz 
von Romanus und Noricus zu konstruieren. Es gibt bei Eugippius 
nur einen Gegensatz zu „Romanus“, und der ist „barbarus“. 
Im Anschluß an diese Betrachtungen seien dann einige Bemerkungen Die norische 
über die norische Auswanderung unter Odovakar gemacht. Daß alle Wanderun g- 
Provinzialen ausgewandert sein sollten, ist mit Recht den meisten For 
schern immer unwahrscheinlich erschienen. Wattenbach sagt, Odovakar 
habe die ganze römische Bevölkerung abgerufen, und nur „schwache 
Reste einer unterwürfigen romanischen Bevölkerung seien in den Ge 
birgen zurückgeblieben“ 1 ). Ähnlich drückte sich Ernst Dümmler aus: 
„Die Mehrzahl von ihnen begab sich über die Alpen.“ „Die Reste der 
keltisch-römischen Bevölkerung, welche an der Donau zurückgeblieben 
und cap. 44, 7 bemerkt: cunctis nobiscum provincialibus idem iter agentibus, qui oppidis 
super ripam Danuvii derelictis . . . (p. 53, 17), so liegt es zweitens nahe, unter den 
jenigen, die auf Odovakars Gebot auswandern, nur die Bewohner von Noricum Ripense zu 
verstehen. Und doch wäre es ein Trugschluß, wenn man, unter Einsetzung der aus cap. 44 
gewonnenen Gleichung: Provincialis = Romanus, nun weiter schließen wollte, Eugippius habe 
unter den Romani nur die Provinciales als die Bewohner von Noricum Ripense, nicht aber 
auch die Norici als die Bewohner von Noricum Mediterraneum verstanden. Wohl werden die 
Provinciales auch Romani genannt, wohl hat Odovakar an alle Romani oder Provinciales 
seinen Auswanderungsbefehl gerichtet, aber die, die ihm Folge leisten, sind nur alle die Pro 
vinciales aus Noricum Ripense (cuncti provinciales, qui oppida super ripam Danuvii de- 
reliquerunt), nicht aber die Provinciales aus Noricum Mediterraneum. In keinem Falle zieht 
die These, die letzteren allein seien von Eugippius als Norici bezeichnet worden (die übrigens 
wahrscheinlich, aber keineswegs gewiß ist), die andere These nach sich, den Bewohnern von 
Noricum Mediterraneum gebühre nach dem Sprachgebrauch der vita nicht die Bezeichnung 
Romani oder Provinciales. Romani und Provinciales sind nicht nur die Bewohner von Ufer 
norikum, sondern auch die Bewohner von Mittelnorikum. Gerade der Sprachgebrauch jener 
Zeit bestätigt diese Behauptung: bei Kassiodor (Variarum III 50. Ed. Mommsen, Mon. 
Germ. Hist. Auct. Ant. 12, ioqf.) ist uns ein Schreiben Theoderichs an die „Provinciales 
Norici“ überliefert worden, unter denen wir, da Theoderichs Herrschaft sich nicht auf Ufer 
norikum erstreckte (Glück a. a. O. S. 90 Anm., Mommsen, Neues Archiv 14, 503), die Bewohner 
Mittelnorikums zu begreifen haben. Gegen Glücks Erklärungen wandte sich übrigens schon 
Pallmann, Die Geschichte der Völkerwanderung II 413 Anm. Max Büdinger, Eugippius, eine 
Untersuchung (Wiener Sitzungsberichte 1878, 91, 797), wehrt sich gegen den Versuch, dem 
Sprachgebrauch des Eugippius eine Gleichsetzung von Noricum und Noricum Mediterraneum 
zu substituieren, freilich ohne stichhaltigen Grund. 
*) Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter I 46 f.
	        
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