Volltext: Die Lebensbeschreibung Severins als kulturgeschichtliche Quelle (2 ; 1903)

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den Vordergrund gerückt. Gewiß bezeichnet auch Eugippius in seiner 
Vorrede als Zweck seiner Aufzeichnungen, „daß die vielen Wunder des 
heiligen Severin nicht sollten verborgen bleiben“ 1 ), und gleichwohl er 
klärt er, als er die Heilung des Armgeschwürs des Mönches Ursus 
erzählt, „um nicht in eine widerliche Weitschweifigkeit zu verfallen, 
mag es genügen, diese eine von den Heilungen an den Seinen erzählt 
zu haben“ 2 ). 
Als er von den Wundern am Grabmal des Heiligen berichtet, ruft 
er aus: „Jedoch alle aufzuzählen würde zu weit führen“ 3 ). — — „Für 
uns mag es genügen, von den unzähligen Wundertaten und Heilungen, 
die bei seinem Begräbnis geschehen sind, drei berichtet zu haben“ 4 ). 
Man wird im allgemeinen die Wundererzählungen der Heiligenleben 
in zwei Klassen einteilen können: die eine enthält nur Kopien bibli 
scher Wunder, die andere aber sagenhafte Ausschmückungen wirklicher 
Geschehnisse, und der historische Quellenwert eines Heiligenlebens be- 
mißt sich dann darnach, welche dieser beiden Arten von Wunder 
geschichten in ihm vorherrscht. Es wird immer die quellenanalytische 
Aufgabe des Historikers sein, aus der sagenhaften Form den geschicht 
lichen Kern herauszuschälen und die wundermäßigen Bestandteile der 
überlieferten Erzählung auszuschalten 5 ), wobei dann allerdings die Ge 
fahr vorliegt, vor der Bernheim mit Recht warnt, „daß man unter Ver 
werfung alles dessen, was unwahrscheinlich erscheint, einzelne Angaben 
nach Gutdünken als historische Tatsachen annimmt“ 6 ). Wir heutzutage 
*) Eugippii epistola i: tanta per beatum Severinum divinis effectibus celebrata non oportere 
celari miraeula (p. i, 12). 
2 ) Vita cap. 38, 2: hoc unum de domesticis sanitatibus nairasse sufficiat, prolixi operis 
fastidia declinando (p. 46, 22). 
3 ) Cap. 46, 3: qua celebritate multi langoribus diversis afflicti, quos recensere longum est, 
receperant protinus sanitatem (p. 54, 21). 
4 ) Cap. 46, 6: verum multis plura scientibus sufficiat tria de innumeris, quae in ingressu 
eius gesta sunt, beneficiorum virtutumque retulisse miraeula (p. 55, 16). Dahin gehört auch 
jene Bemerkung des Eugippius über seinen Meister anläßlich der Weihe und Aufnahme der 
Gervasius- und Protasiusreliquien in cap. 9, 3: quo loco martyrum congregavit sanctuaria 
plurimorum, quae tarnen praeeunte semper revelatione promeruit, sciens adversarium 
saepe subripere sub nomine sanctitatis (p. 21, 13). Wohl eine der ältesten Stellen, die Vor 
sicht gegen um sich greifenden Reliquienschwindel predigt. 
6 ) Vergl. Sommerlad, Die wirtschaftliche Tätigkeit der Kirche in Deutschland I 179. 
6 ) Bernheim, Lehrbuch der historischen Methode 2. Aufl. 1894 S. 286, 3. und 4. Aufl. 
1903 S. 465 Anm. 1.
	        
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