Volltext: Der gotische Flügelaltar zu Kefermarkt

eine Camaura (eine Art Haube), die noch die Spuren der roten Farbe trägt1) und darüber 
einen Kopfbund mit Schleier. Beide sind ohne Bart.2) Auffallend ist eine gewisse Ana¬ 
logie dieser Figur mit dem bebarteten Propheten im Giebel (T. 26 a): Camaura, Kopfbund 
mit Schleier, ärmelloser Mantel mit Aermelschlitzen, Kleidabschluß beim Halse. 
Die 4 Statuen (T. 8 e, T. 11 c, T. 12 b, T. 12 d) haben ursprünglich andere Stand¬ 
plätze gehabt; sie sind 45 cm hoch, die Putten nur bei 39 cm; sie weisen einen anderen 
Charakter auf und stimmen nicht zu den heiteren, jugendfrischen Putti. Die Putti selbst 
teilen sich in 2 Gruppen: die eine hat schlanken Körperbau, die andere mehr gedrungenen.3) 
Flügel. Die beiden Flügel des Altares sind einfach rechteckig; sie ruhen auf 
Eisenstangen, die an der Mauer befestigt sind; ursprünglich waren sie beweglich und 
rückwärts mit Bildern versehen. 
Die Flügel-Relief sind durch (teilweise ergänztes) Laubwerk mit Stäben umrahmt. 
Auf den Flügeln stehen jetzt die ehemaligen „Schreinwächter“: Florian und Georg. 
ln den Darstellungen der Flügel schildert der Künstler in epischer Breite, in be¬ 
haglicher Detailmalerei einzelne Szenen aus dem Leben Mariä; dafür hatten offenbar die 
Rückseiten der Flügel einst Gemälde aus dem Leben des hl. Wolfgang (wie zu St. Wolfgang). 
Mariä Verkündigung (T. 14 a und b). In einer halboffenen, auf Säulen ruhenden 
Halle, welche mit je einem Spitz- und einem Rundbogen abschließt, kniet Maria im Vorder¬ 
grund bei einem Betschemel. Der Erzengel Gabriel mit seinem Schleppträger ist eben ein¬ 
getreten (ingressus est) und hat den Gruß, der auf dem Spruchband noch etwas kenntlich 
ist, zu Maria gesprochen: Ave, gratia plena. Im Hintergründe links oben erscheint auf 
stilisierter Wolke der himmlische Vater, umgeben von 2 Engeln. Das Symbol des Hl. Geistes, 
die Taube, ist verloren gegangen. 
Auf den 3 Kapitalen der Säulen — von den 2 sichtbaren ist die eine gerautet, 
die andere (ein Unikum!) mit spitzen Blättern umkleidet — stehen Figuren, die innigen 
Anteil nehmen, es dürften Propheten sein; der eine hat ein Schriftband in Händen. 
Der Typus der Madonna ist auf allen 4 Bildern festgehalten. 
Christi Gehurt (T. 15 a). Vor dem halb zerfallenen Stalle kniet die jungfräuliche 
Mutter in Andacht versunken, sie betet das göttliche Kind an, das vor ihr auf dem Mantel 
liegt. Schräg dazu ist St. Josef, eine sympathische Erscheinung (die auf dem Bild „Tod 
Mariens“ als Apostel wiederkehrt), auf die Knie gesunken. Im Stalle sind — wie immer — 
Ochs und Esel sichtbar. Ueber dem Türrahmen spielen 2 Engel auf der Laute und Man¬ 
doline ein „Krippenlied“. Rechts im Hintergründe ist das Hirtenfeld; 3 Gloria-Engel ver¬ 
künden den Hirten von Bethlehem die Freudenbotschaft. 
Erscheinung des Herrn. Auf dem nächsten Bilde (links unten) bringen die 
„Weisen aus dem Morgenlande“ dem neugeborenen Könige ihre Geschenke dar (T. 16 a). 
Voll Mutterwonne blickt die Jungfrau auf ihr Kindlein (T. 16 b), das mit dem goldenen 
Inhalt der vom ersten Könige dargereichten Schatulle spielt. St. Josef sieht von rückwärts 
sinnend zu. Der hl. Josef hat auf diesem Relief eine andere Gestalt, als auf dem vorher¬ 
gehenden; auch der Stall ist anders gebildet. 
Mit gebeugtem Knie reicht der erste sein Geschenk, das Gold, dar; ein Begleiter 
trägt seine Kopfbedeckung. Der zweite wendet sich soeben mit entblößtem Haupte dem 
Kinde zu, dem er Weihrauch anbietet, die Linke hält die kronenartige Kopfbedeckung. 
Seltsam ist die Stellung und Kleidung des Mohren-Königs; in der Rechten trägt er einen 
*) Es finden sich außer an den Putti auch noch an mehreren Statuen Spuren ehemaliger Färbe- 
lung, wie sie der Bildhauer macht, um die Wirkung seiner Arbeit zu studieren; darüber kam erst die 
Grundierung und Fassung durch den Maler. — 2) Ubell, 1. c. S. 28, schreibt vom Kinn- und Yollbart! — 
3) Die eingehendere Beschreibung der Putti und Statuen korrigiert Ubells Bemerkungen zu diesen Skulp¬ 
turen. Vgl. Ubell 1. c. S, 14 ff. 
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