Volltext: Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten

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Wunderbar weiß Watteau die grazilen Formen seiner Gestalten, die kokett 
leichten Gewänder, ihre hellen schimmernden Farbentöne und vor allem die 
lichterfüllte, duftige Landschaft für die poetische Stimmung zu verwerten. Auch 
die kleinen Dimensionen der Bilder und der Figuren entsprechen ganz dem 
graziös spielenden Charakter seiner Kunst. Watteau ist in seiner Auffassung 
und besonders in Malweise und Kolorit sehr stark durch die vlämischen Meister, 
vor allem durch Rubens, beeinflußt. In Paris war sein Lehrer der Theater 
dekorationsmaler Claude Gillott, der uns nur noch durch eine Reihe von Ra 
dierungen bekannt ist. Später ist der intime Verkehr mit Kunstkennern und 
Lebenskünstlern wie Mariette, Crozat, Caylus, Gersaint und seinem treuesten 
Freunde und Verehrer Julienne für seine Kunst von Bedeutung geworden. 
Die graziöse, galante Kunst Watteaus, die schon durch den Reiz des Gegen 
ständlichen und durch ihren Erfolg zur graphischen Nachbildung einlud, forderte 
vom Kupferstich ganz neue Raffinements in der Zeichnung und in der Kon- 
trastierung der Tonwerte. Wie weit Watteau selber unmittelbar bei der Re 
produktion seiner Werke beteiligt gewesen sei, ist schwer zu bestimmen. Er 
hat mehrere Modefiguren und einige größere Darstellungen, wie die „troupe 
italienne“ radiert, die dann von Stechern wie Simoneau oder Thomassin mit 
dem Grabstichel retuschiert wurden. Sie sind, wenn auch als Arbeit mit dem 
weichen Fluß der leicht schwingenden Linien und ihrem hellen Ton geistvoll 
und originell, doch für die Ausbildung des Watteaustils im Kupferstich offenbar 
weniger bedeutungsvoll als seine Feder- und Stiftzeichnungen und als die un 
mittelbar hinreißende Wirkung seiner Gemälde. Die Herausgabe der Stiche 
nach seinen Werken in einer Sammlung von 795 Blättern der besten Künstler 
besorgte Julienne erst nach des Meisters Tode 1734. 
Die ersten Watteaustecher, wie Benoit II Audran, Gerards Neffe 
(1700 —1772), Nicolas Henri Tardieu (1674 —1749)? Louis Des- 
places (1682 —1739), Henri Simon Thomassin fils (1688—1741) 
gehen von Gerard Audrans Technik aus, dessen direkte Schüler sie zum Teil 
sind. Sie suchen nun aber der klaren, regelmäßigen Linienführung Gerard 
Audrans eine größere Freiheit, mehr Reichtum an Tönen und Akzenten zu 
geben. Sie beschränken sich wesendich auf die freie, in Flecken von einfachen 
und gekreuzten Lagen schattierende Radierung und retuschieren mit dem Stichel 
nur die tiefen Schatten und die ganz zarten Übergänge. Die hellen, nur durch 
Punkte zart modellierten Fleischtöne, die unruhig flimmernden Lichtstreifen auf
	        
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