Volltext: Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten

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graziösen Plauderton des Salons vor. Sie schildert die „Gesellschaft“, die sich 
jetzt zur zentralen Macht entwickelt, zunächst, bis zur Revolution, aber nur 
ihre glänzenden Formen und den äußeren Schein ihres Lebens. 
Nur was froh und sonnig, was schön und festlich ist, nimmt der Künstler 
aus der Wirklichkeit mit sich in das neue Reich der Freude, das sich seine 
Phantasie aus der alten Fabel und aus der neuen Poesie und Komödie luftig 
zusammenbaut. Die französische Malerei des XVIII. Jahrhunderts ist, auch als 
dekorative Kunst, im wesendichen eine poetische Illustrationskunst, sie nährt 
sich von den poetischen Vorstellungen der Dichtungen, die ihrem Geschmacke 
Zusagen. Auch den Reproduktionsstichen nach Gemälden liebt man eine poetische 
Paraphrase des Inhaltes beizufügen. 
Schnell und freudig folgen die Graphiker den Malern in das neue Gebiet, 
das sie bald fast ganz in Besitz nehmen. So ganz entspricht dieser heiter wort 
reiche Erzählerton dem Stil der vervielfältigenden Künste, daß die Maler selber 
zu Graphikern werden, und daß ihre Werke, auch wenn sie ursprünglich als 
Gemälde ausgeführt worden sind, oft doch eher als Vorlagen für Illustrations 
stiche erfunden zu sein scheinen. Die neue Illustrationsmalerei schafft einen 
neuen Stil der Kupferstichreproduktion, der sich unter ihrem Einfluß aus der 
vorzüglich durchgebildeten Grabsticheltechnik des XVII. Jahrhunderts entwickelt, 
aber der Radierung einen bedeutenden Anteil an der Arbeit einräumt. 
Die lineare Grabstichelkunst, die sich vornehmlich im Porträtstich betätigt, 
bleibt als solche von dieser Umwandlung fast unberührt. Sie setzt ihre Arbeit 
im neuen Jahrhundert unbeirrt fort und bildet den Linienstich zur höchsten 
technischen Virtuosität aus. Paris wird nun die hohe Schule der Kupferstecher 
kunst, der Mittelpunkt des ganzen europäischen Kunstbetriebes und Kunst 
handels. In erster Reihe ist es die Familie der Drevet, aus der die führenden 
Meister der Grabstichelkunst hervorgehen. Pierre Drevet (1663—1738) ist 
ein Schüler Germain und Gerard Audrans, er schließt sich aber technisch viel 
mehr an Nanteuil an. Wie seine ganze Schule arbeitet er ausschließlich mit 
dem Grabstichel, den er mit der höchten Sicherheit und Exaktheit führt. 
Die glänzende Technik seiner Vorgänger vermag er zu den erstaunlichsten 
malerischen Effekten zu steigern. Besonders in der Darstellung des Stofflichen 
weiß er der Linie die größte Ausdrucksfähigkeit abzugewinnen. Die Weich 
heit des Fleisches, die Wolligkeit der gepuderten Perücke, die Biegsamkeit 
der feinen Leinenstoffe und -spitzen, den starren Glanz der Brokatstickerei,
	        
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