Volltext: Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten

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bewegen scheinen. Der Radierer hat hier die freie Meisterschaft des Malers, der 
bereits 1632 die Anatomie geschaffen hatte, mit schnellen Schritten erreicht. Ein 
scharfer Lichtstrahl fällt von der Engelsglorie und von dem verkündenden Engel 
in den Wolken auf die Hirten und ihre Herden, die in wildem Schrecken nach 
allen Seiten fliehen; in tiefem Dunkel dehnt sich rings die Landschaft aus. 
Elsheimers elegische Nachtbeleuchtung ist hier zu einer großartig dramatischen 
Kontrastwirkung gesteigert. Seine Kunst, das stärkste Licht in raschem und doch 
ganz weichem Übergange zu den tiefsten Schatten zu führen, den farbigen 
Schimmer bis in die dunkelsten, sammetartig schwarzen und doch durchsichtigen 
Töne dringen zu lassen, beherrscht der junge Künstler hier schon mit größter 
Meisterschaft. Beethoven geht so rapid und doch weich vermittelnd vom 
Fortissimo zum Pianissimo über. 
Unter den biblischen Darstellungen der dreißiger Jahre könnte man noch 
den verlorenen Sohn (163<5, B. 91), Adam und Eva (1638, B. 28), Joseph seine 
Träume erzählend (1638, B. 37, s. Abb.) und den Tod Mariae (1639, B. 99) 
hervorheben. Überall eine ganz neue Auffassung des Gegenstandes, die doch 
die einzig naturgemäße zu sein scheint, höchste Natürlichkeit im Ausdruck und 
in allen Einzelheiten. Adam und Eva hat er fast eine tierische Wildheit und 
Scheuheit, eine elementare Kraft der groben Formen gegeben, Josephs Traum 
erzählung zeichnet sich selbst in Rembrandts Werk durch den Reichtum und 
die Feinheit der Charakteristik in Gesichten und Bewegungen aus. Der Tod 
Mariae ist eine der umfangreichsten Radierungen des Meisters, er zeigt zum 
ersten Male ausgiebigere Verwendung der kalten Nadel. Rembrandts Hang zum 
Phantastischen in der Stimmung und im Kostüm und seiner Vorliebe für orien 
talische Typen und Gewohnheiten, die der von ihm beabsichtigten poetischen 
Stimmung dienen sollten, kamen die Gegenstände der Bibel am meisten ent 
gegen. Sie bilden deshalb neben den Darstellungen aus der Wirklichkeit seiner 
unmittelbaren Umgebung den Hauptinhalt seines Werkes. 
Die steigende Anerkennung, die der Künstler auch als Radierer seit den 
dreißiger Jahren in Amsterdam fand, muß ihm auch zahlreiche Aufträge zu 
Porträtradierungen eingetragen haben. Es sind nun nicht mehr flüchtige Skizzen 
nach dem eigenen Gesicht oder nach denen seiner nächsten Verwandten, sondern 
als Bilder komponierte und in sorgfältiger Ausführung gerundete Bildnisse, die 
von den Bestellern wohl für die Verteilung unter Freunde bestimmt waren. 
Immer gibt Rembrandt in diesen Porträts wenigstens einen Teil des Körpers,
	        
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