Volltext: Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten

der graphischen Künste nach den Erfordernissen seiner Manier umgestaltet wie 
Rubens. Er gibt der Kunst der Graphiker nicht nur einen neuen Inhalt, er 
weist auch ihrer Technik neue Wege. Aus Künsdern verschiedenster Herkunft 
und Vorbildung gelang es ihm, eine ganz einheitliche neue Stecherschule zu 
bilden. Rubens behielt geschäftlich wie künstlerisch den Betrieb vollständig 
in seinen Händen. Aus den Privilegien, die er sich von den Regierungen von 
Belgien, Holland und Frankreich für die Stiche zu erwirken wußte, und aus 
den Dedikationsinschriften auf den Stichen geht hervor, daß im allgemeinen 
er selber der Herausgeber der Blätter gewesen ist. Bemerkungen in der Korre 
spondenz des Meisters bestätigen dies. 
Fast immer scheint er nur einen Stecher für sich arbeiten zu lassen, die ein 
zelnen Meister folgen einander in der Stellung als die privilegierten Interpreten 
in seiner Werkstatt. Er läßt nicht nach den fertigen Gemälden stechen, sondern 
legt den Stechern Grisailleskizzen vor, in denen die Farben schon auf ihre Werte 
als Licht und Schatten zurückgefuhrt sind. Er verfolgt ihre Arbeit in allen 
ihren Stadien und greift häufig helfend und bessernd ein. Eine ganze Reihe 
von Probedrucken ist uns erhalten, in denen Rubens durch Retuschen mit dem 
Stift und dem Pinsel die von ihm gewünschten Veränderungen angegeben hat. 
Für Rembrandt wäre ein solcher halb geschäftlicher Betrieb, eine derartige 
Ausbeutung seiner Kunst undenkbar. Die Vertiefung in rein künstlerische 
Probleme, die vollkommene Individualisierung des einzelnen Kunstwerkes, auf 
denen die Größe Rembrandts und der holländischen Kunst überhaupt wesent 
lich beruht, lagen nicht in den Intentionen Rubens und seiner vlämischen 
Kunstgenossen. Er geht, ähnlich den Italienern seiner Zeit, mehr auf eine un 
mittelbar sinnliche Wirkung durch die starke Dramatik der Kompositionen 
und durch die Reize der Formen und Farben aus. Er rechnet klug nur mit den 
äußeren, gröberen Manifestationen der Empfindung, die sich einem jeden so 
gleich aufdrängen, wie er auch der offiziellen asketischen Strömung unbedenk 
lich folgt. Von Rembrandts ganz selbständiger, aus reifster psychologischer 
Erkenntnis geschöpfter Auffassung religiöser Gegenstände ist er weit entfernt. 
Er nimmt den geistigen Inhalt seiner Darstellung als von der kirchlichen oder 
historischen Tradition gegeben hin und sucht ihn nur in genialer Konzeption 
und mit kühner Sinnlichkeit der Formgebung zu einem lebendigen, packend 
und reizvoll wirkenden Vorgänge zu gestalten. Zu den Müttern ist er nicht 
hinabgestiegen! — Rubens konnte deshalb sehr wohl der Mithilfe der Schüler
	        
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