Volltext: Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten

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In Marcantons Werkstatt scheint auch der Stecher, der seine Blätter mit B. 
oder B.V. und einem Würfel bezeichnet, gearbeitet zu haben. Man hat den 
Künstler, der um 1522—1533 in Rom tätig gewesen ist, mit einem von alter 
Tradition genannten natürlichen Sohne Marcantons, Benedetto Verini, identifi 
zieren wollen. In seiner Technik schließt er sich dem späteren Stile Marcantons an, 
in der Zeichnung ist er durchaus Nachahmer raffaelischer Formen. Sein Werk ist 
stilistisch und technisch einheidicher als das der anderen Gehilfen Marcantons. Eine 
Folge von Illustrationen zur Psychesage, an der auch AgostinoVeneziano mitgear 
beitet hat, scheint durch Raffaels Fresken in der Farnesina angeregt worden zu sein. 
Als der selbständigste und talentvollste Stecher, der aus der Marcanton- 
schule hervorgegangen ist, muß Giovanni Jacopo Caraglio, der sich bald 
Parmensis bald Veronensis nennt, bezeichnet werden. Er soll 1500 in Parma 
geboren sein, 1539 als Stein- und Stempelschneider in die Dienste des Königs von 
Polen getreten und 1570, kurz nach seiner Rückkehr von dort, gestorben sein. 
Caraglio stach nicht nur nach Zeichnungen Raffaels und seiner Schule, sondern 
häufig auch nach Parmigianino und Giov. Batt. Rosso, deren schlanke, gezierte 
Formen und sinnlich überreizte Empfindungen er mit seiner überaus feinen, gleich 
mäßigen und geschmeidigen Technik vorzüglich zum Ausdruck zu bringen ver 
stand, so in einer Folge der Gottheiten (B. 24—43 von 15zd), in einer anderen 
mit sehr freien Darstellungen der Götterliebschaften (B.9—23), in den Taten des 
Herkules (B. 44—49) und anderen mehr. Caraglio zeichnet sehr sicher und 
pikant und weiß durch geschickte Schattendrucker den Formen im Sinne seiner 
Vorbilder Reiz zu geben. Seine Stichelführung mit ganz feinen, engen, stark ge 
rundeten Taillen scheint vielen nordischen Stechern des XVI. Jahrhunderts als Vor 
bild gedient zu haben. Gute Drucke seiner häufig lasziven Stiche sind höchst selten. 
In den zahlreichen, überaus flüchtig und fehlerhaft gezeichneten Stichen 
des Giulio Bonasone aus Bologna, der 1531—1574 tätig war, erscheint die 
kernige Technik Marcantons vollkommen verweichlicht und entnervt. 
Der Betrieb des Kupferstichs in Rom wird nach dem Tode Raffaels und 
nach dem Fortzuge Marcantons immer geschäftsmäßiger und unkünstlerischer. 
Die starke Nachfrage nach Reproduktionen der berühmten Werke Raffaels 
und Michelangelos und antiker Bildwerke begünstigt die massenhafte Her 
stellung geringer Arbeiten, die spekulative Unternehmer von flinken Stechern 
ausführen lassen. Aus diesem Verfahren entwickeln sich die Anfänge des 
modernen Kunstverlags und Kupferstichhandels. Schon Raffaels Faktotum
	        
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