Volltext: Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten

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zur Steigerung der plastischen Wirkung der Formen dienen mußte. Der Kupfer 
stich wird so naturgemäß auf die Reproduktion ausgeführter Kunstwerke hin 
gewiesen. Die selbständig erfindenden Maler-Stecher werden durch diese Ten 
denz des Kupferstiches und durch die virtuose Ausbildung seiner Technik 
gezwungen, sich neue, leichter zu handhabende Vervielfältigungsverfahren dienst 
bar zu machen. 
Im XVI. Jahrhundert verlieren die Meisterzeichnungen die große Bedeu 
tung als Studienmaterial, die sie im vorhergehenden Jahrhundert besessen hatten. 
Ausgeführte Kunstwerke, besonders die Antiken, Gipsmodelle und dergleichen 
treten an ihre Stelle. So verliert der Kupferstich auch dies Gebiet, auf dem er 
sich bisher selbständig und erfolgreich bewegt hatte, und wird auf die Rolle 
des Vermittlers beschränkt. 
Einzelne Künstler, vor allem Mantegna, hatten solche bildmäßigen und 
plastischen Wirkungen, wie sie der neue Stil forderte, schon mit ihrer zeichne 
rischen Kupferstichtechnik zu erzielen vermocht. Im allgemeinen konnte die 
Technik den neuen Anforderungen aber nur durch ein neues System der Formen 
behandlung gerecht werden. Es wurde schon oben darauf hingewiesen, wie 
man um die Wende des Jahrhunderts die Umrisse der Holzschnitte mit Ton 
schraffierungen zu fällen beginnt, wie einzelne Stecher in Venedig, Mailand und 
Bologna sich bemühen, den Kupferstich aus einer schraffierten Zeichnung in ein 
wirkliches Bild umzugestalten. Fast alle diese Versuche gehen von der deutschen 
Technik aus, die der italienischen in der Systematisierung weit vorangeeilt war. 
Von der deutschen Grabstichelkunst, von Dürers Arbeiten nimmt auch derjenige 
italienische Meister seinen Ausgangspunkt, der in klarer Erkenntnis der Wege 
zu den neuen Zielen der italienischen Technik eine neue und selbständige Rich- 
tung gegeben hat, und der für die gesamte weitere Entwicklung der graphischen 
Künste von maßgebendem Einfluß geworden ist. 
Marcantonio Raimondi ist in Bologna, wahrscheinlich um 1480 ge 
boren und in der Werkstatt Francesco Francias ausgebildet worden. Um 1504, 
als Giovanni Filoteo Achillini, dessen Bildnis Marcanton auch gestochen hat, 
sein „Viridario“ schrieb, muß er, wenigstens in Bologna, schon ein angesehener 
Stecher gewesen sein, da seine Kunst in dem Buche lobend hervorgehoben wird. 
Wir kennen datierte Stiche Marcantons erst seit dem Jahre 1505 (Pyramus und 
Thisbe, B. 322), einige undatierte Blätter müssen aber schon vorher ausgefährt 
worden sein. Besonders die Darstellungen mit einfach schraffiertem Grunde, wie 
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