Volltext: Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten

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zu Cranmers Katechismus und den großen Holzschnitt in Halls Chronik von 
1548, die mehr für die Geschichte des Holzschnittes in England als für Holbeins 
eigene Tätigkeit von Bedeutung sind. 
In Norddeutschland hatte der jugendkräftige Stil der Lübecker Bibel nicht 
Wurzel gefaßt; es ist im XVI. Jahrhundert wieder ein Fremder, der wie in der 
Malerei so auch in den graphischen Künsten die führende Stellung gewinnt. 
Lucas Cranach (1472—1553), der die hu Süden Deutschlands gereiften 
Kunstformen dem Norden vermittelt hat, ist in Kronach in Franken geboren 
und ohne Zweifel hier auch künsderisch ausgebildet worden. Uber seinen 
Bildungsgang ist nichts überliefert, aber seine frühesten uns bekannten Werke, 
die er in der ersten Zeit nach seinem Eintritt in den Dienst des kursächsischen 
Hofes in Wittenberg (1504) gemalt oder in Holzschnitt ausgeführt hat, weisen 
noch sehr starke Elemente Dürerscher und Altdorferscher Kunstweise auf. Bevor 
sein Stil durch den geschäftsmäßigen Betrieb in seiner viel und vielseitig in Anspruch 
genommenen Werkstätte, durch mannigfache Ablenkung und besonders durch seine 
konfessionelle Parteinahme für die Reformation verflachte und farblos wurde, zeigt 
Cranachs Formensprache eine Fülle unmittelbarer Naturbeobachtungen, 'eine 
überschäumende Lebenskraft und Energie, die ihn an die Seite Hans Baidungs und 
oft fast in die Nähe des „deutschen Correggio“ Matthias Grünewald erhebt. 
Sein frühester uns bekannter Holzschnitt, die Kreuzigung von 150z 
(Pass. IV, p. 40, Nr. 1), dann die „Verehrung des Herzens Jesu“ von 1505 
(B. 76), die Versuchung des h. Antonius (B. 56) und der kernig Baldungsche 
h. Georg (B. 67), das reich bewegte Turnier (B. 124) von 1506 sind unzweifel 
haft seine charaktervollsten und künstlerisch inhaltreichsten Werke, trotz allen 
Übertreibungen in den Bewegungen und aller Krausheit der Körperformen und 
Falten. Die Kraft seiner Eigenart erhält sich noch eine Zeitlang, in den Holz 
schnitten mehr als in seinen Bildern, frisch, so im Parisurteil von 1508 (B. 114), 
in der h. Familie (B. 4), Christus und die Samariterin (B. 22, s. Abb.) in der 
Apostelfolge (B. 23—3d), in den Martyrien der Apostel (B. 37—48) und in 
der Passionsfolge (B. 6—20). Von der durch die ersten künstlerischen An 
schauungen erzeugten Erregtheit findet aber sein Geist nicht, wie der Dürers, 
den Weg zur ruhigen Vertiefung, er wird durch fremdartige Interessen zerstreut 
und arbeitet gedankenlos mit den alten Formeln weiter. Die spätere Tätigkeit 
Cranachs seit ungefähr 1520 bietet ein trauriges Bild künstlerischer Verwahr 
losung. Er scheint sich jetzt mit flüchtigen Vorzeichnungen für die Holzschnitte
	        
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