Volltext: Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten

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gestaltet er mit voller Freiheit. Die gedrungenen, kräftigen Gestalten besitzen 
eine ungewöhnliche Energie und Elastizität der Bewegungen und eine hin 
reißende Natürlichkeit der Gefühlsäußerung. Alles ist bewunderungswürdig 
klar und deutlich, überall ist der Vorgang auf das unmittelbar Verständliche, 
auf rein menschliche Züge zurückgeführt. Im Traume Pharaos ist durch die 
unruhige Lage, den schmerzvollen Ausdruck des Schlafenden, durch die krampf 
hafte Bewegung seiner Finger vollkommen deutlich gemacht, daß das Traumbild 
den ernsten Greis schon im Schlafe mit schwerer Sorge erfüllt. Erstaunlich ist 
der Kunst Holbeins und der Technik Lützelburgers z. ß. die Darstellung der 
weit in die Ferne sich hinziehenden Scharen der 
Israeliten nach ihrem Durchgänge durch das 
rote Meer gelungen. Hier ist die Masse nicht 
mehr bloß symbolisch durch einzelne Vertreter 
angedeutet sondern wirklich sinnfällig gemacht. 
Die reizvollen landschaftlichen Hintergründe, 
immer im Charakter der Schweizer Gegenden, 
sind mit höchstem Geschick räumlich und in 
der poetischen Stimmung zu dem erzählten 
Vorgänge in Beziehung gesetzt. 
Den Totentanz (s. Abb.) darf man getrost 
als den künstlerischen und technischen Höhe 
punkt des deutschen Holzschnittes bezeichnen. 
Hier konnte der Künstler frei aus tiefstem Her 
zensgründe sprechen, die Klage um der Mensch 
heit Jammer und die Anklage gegen den Über 
mut der Herren und der Pfaffen ohne Scheu laut erheben und seinem Spott die 
Zügel schießen lassen. Die sozialistische und antiklerikale Tendenz tritt überall 
ganz deutlich hervor. Am Thron des Papstes lauert außer dem Tode auch der 
Teufel; die Mächtigen und Genießenden reißt der Tod in grausamem Hohn 
aus ihrem Wohlleben, von ihren bösen Taten gewaltsam fort; milder verfährt 
er mit den Armen und Elenden. Überall greift er unmittelbar in die Tätigkeit 
der Menschen ein, den ungerechten Richter erfaßt er auf seinem Richter 
stuhl, dem Priester trägt er die Laterne und die Glocke voran, dem Arzt 
führt er den Kranken zu, mit dem Ritter kämpft er, nur den armen Greis führt 
er sanft zur Grube. Überreich ist die Fülle satirischer und tragischer Züge, die 
Der Altntun. 
Hans Holbein d. J. Aus dem Totentanz.
	        
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