Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

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Klassische Kunstarchäologie. III. Angewandte Archäologie. 
Auflegung einer Hand, 1 ) welche schon ganz vertrauliche Gestalt annimmt. 2 ) 
Besonders bezeichnend ist die Berührung bei den Heilgöttern. 3 ) Mütter 
lichen Gottheiten gegenüber kann der Beschützte zum Kinde werden, wie 
z. B. der Pharao auf Isis’ Knieen sitzt oder von ihr gesäugt wird. Dieser 
orientalische Gedanke 4 ) ist zu Ehren des Alkibiades nach Griechenland 
verpflanzt worden. 5 ) Dortselbst jedoch ist die Bekränzung mit einem 
Laubkranz oder einer Stirnbinde heimisch. 6 ) Manchmal kränzt eine der 
hohen Gottheiten ihren Liebling; 7 ) wenn eine Liebesangelegenheit vor 
liegt, reicht ein Eros die Auszeichnung oder Eroten umschwärmen die 
Szene. 8 ) Gewöhnlich jedoch erscheint Nike (S. 834), und zwar oft nicht 
den Figuren ebenbürtig, sondern verkleinert in der Luft schwebend. 9 ) Dem 
Regenten lenkt sie den Triumphwagen; 10 ) Fortuna reicht ihrem Liebling 
das Füllhorn. 11 ) Im Kriege kämpfen Götter und Heroen leibhaftig mit. 12 ) Man 
chen personifizierten Gottheiten, wie den Erinyen (S. 832), den Eileithyien, 13 ) 
dem Schlafgott (S. 835) und den Leidenschaften eignen gewisse Bewegungen, 
welche mit ihrer Symbolik Zusammenhängen. 14 ) Eroten schweben wie Nike 
in der Luft (oft eine Siegerbinde haltend), umarmen Frauen, setzen sich 
ihnen auf den Schoss oder auf den Arm, helfen bei der Toilette, schieben 
die Zögernden vorwärts, weisen auf den Gegenstand ihrer Wünsche u. dgl. 15 ) 
Peitho handelt zurückhaltender. Dagegen wirkt der volle Anthropomor 
phismus in dem Willen des Götterkönigs, denn auch dieser abstrakte Begrift 
findet seinen sinnfälligen Ausdruck. Hie und da wohnt Zeus persönlich 
einer Handlung bei (z. B. in der Sage vom Parisurteil). Häufiger jedoch 
vertritt sein Herold Hermes die Stelle des Weltherrschers, namentlich 
wenn es irgend einen Weg zu weisen gilt; z. B. führt er die Göttinen zu 
Paris und leitet Herakles nach den nahen und fernen Stätten seiner 
Heldenthaten. 
399. Dieser Abschnitt ist wegen der Entwicklungsgeschichte unserer 
Wissenschaft vorangestellt worden. Systematisch dagegen gehört vor den 
selben die einfache Kunstsprache, welche ihre eigene Grammatik hat. 
Ohne die Ähnlichkeiten übertreiben zu wollen, kann man doch viele Ana 
logien mit der Sprache feststellen; wir müssen wiederholen, dass die 
Exegese auf eine Umsetzung des Bildes in Worte hinausläuft. Die dar 
gestellten Personen entsprechen den Substantiven, und zwar den einfachen, 
wenn sie kein charakteristisches Abzeichen an sich haben, welches mit 
einem Attribut zu vergleichen ist. Jene Personen sind in einem Zustand 
*) Das. S. 327 f.; z. B. Athenabei Hellas, 
an der Dareiosvase; Aphrodite bei Paris 
(Baumeisters Denkm. S. 1162). 
2 ) Eros und Paris: Baumeister 636. 
3 ) Sittl a. 0. S. 323 f. 
4 ) Z. B. Osee 11, 3. 
5 ) S. 632; verallgemeinert in der Kuro- 
trophos: Roscher, Lex. 2, 1628 ff. 
6 ) Ebenso in der Dichtersprache z. B. 
Eurip. Iph. T. 12 f. Suppl. 314 f. 
7 ) Z. B. Poseidon den Lysandros (Paus. 
10, 9, 7). 
8 ) Z. B. plastisch: Raub einer Nymphe 
durch einen Triton, im Vatikan. 
9 ) Vgl. Tibull. 2, 5, 45, 
10 ) Symmach. or. 1, 4. 
1! ) Ammian. 22, 9, 1. 
12 j Giebel von Aigina; Marathonschlacht 
in der Stoa Poikile. 
13 ) Sie öffnen die Hand zur Geburt: Ro 
schers Lex. 1, 1220 f.; Sittl, Gebärden S. 
322 f. 
14 ) Gegen Lykurgos wird ein Treibstachel 
erhoben (Körte S. 23 ff.). 
15 ) S. Furtwängler’s Eros u. Sittl, Ge 
bärden S. 284 ff., 331 ff.
	        
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