Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

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Klassische Kunstarchäologie. III. Angewandte Archäologie. 
kannt. *) Nur wenige Gestalten gewinnen ein wirklich poetischkünstle 
risches Leben. Hydra * 2 ) und Kerberos 3 ) erhalten durch die Dichter bis 
zu 50 und 100 Köpfen; die Zeichner müssen sich mit weniger begnügen 
und ziehen bei letzterem die Variante vor, er habe drei Köpfe, 4 ) welche 
Zahl auch bis auf zwei vermindert wird. 5 ) In den Heraklesmetopen von 
Olympia hat er vielleicht nur einen Kopf. Statt des Schweifes bäumt 
sich eine Schlange auf; 6 ) die Schlangenhaare dagegen verbleiben dem poe 
tischen Apparat. 7 ) Mit dem Kerberos ist der Hund des Geryones ver 
wandt. 8 ) In der Heraklessage hat der Hesperidendrache zuweilen zwei 
oder drei Köpfe. 9 ) Zur Bellerophonsage gehören das Flügelross Pega- 
sos 10 ) und die Chimaira, welche nach dem bekannten homerischen Verse 
aus Löwe, Ziege (natürlich der wilden!) und Schlange gemischt ist; man 
muss sie zu den oben berührten abenteuerlichen Mischungen rechnen. 11 ) 
Schliesslich entspringt durch vielfältig variierte Mittelstufen aus dem 
ägyptischen Adlerlöwen (S. 458) der adlerköpfige geflügelte Löwe, welchen 
wir vom griechischen Gryps Greif zu nennen pflegen. 12 ) Durch die Hy 
perboreersagen fällt auf ihn ein geheimnisvolles Licht; er wird, zumal 
unter den Kaisern, Apollo (S. 817) und Abstraktionen (S. 835) beigegeben 
und in der Dekoration Stiere niederreissend und mit Arimaspen kämpfend, 
vielfältig verwendet. 
398. Die Götter und Untiere erschöpfen das Gebiet des Nicht-Wirk 
lichen und Nicht-Sichtbaren, für das der Künstler verständliche Formen 
schaffen muss, nicht vollständig, denn es bleibt noch die Darstellung der 
Seelen und der wunderbaren Vorgänge übrig. Die Geister der Verstor 
benen werden zwiespältig aufgefasst: Denen, die sie nicht fürchten, er 
scheinen sie als kleine geflügelte Wesen, einst als Vögel mit Menschen 
köpfen, 13 ) dann als kleine geflügelte Menschen 14 ) — Kriegern fehlen die 
Flügel —, später ähnlich den Eroten. 15 ) Doch nicht immer behielt der 
0 P. Cassel, der Phoenix u. seine Aera, 
Berlin 1879. 
2 ) Welcher, alte Denkm. 8, 857 f. T. 6; 
Clem. Konitzer, Herakles und die Hydra, 
Breslau 1861; Furtwängler, Roschers Lex. 
1, 2198 f. 2224. 2243; P. J. Meier, Athen. 
Mitt. 10, 237 f. 322 f.; Studniczka das. 11, 
61 f.; 0. Rossbach, griech. Antiken S. 5 ff. 
а ) Auf Münzen von Etrurien (Ra. n. s. 
38, 28 ff.), Elea in Epirus (Brit. M. T. 18,11), 
Cumae (Carelli T. 71, 23) und Kyzikos; 
vgl. Immisch, Roschers Lex. 2, 1125 ff. 
4 ) Soph. Trach. 1106; Hör. c. 2, 19, 31. 
[3, 11, 20;] Ovid met. 10,21; Sen. Hercf. 
784; Fulgent. myth. 1, 27; Tzetzes u. A. 
5 ) Schwarzfigurige Vasen: Gerhard, AV. 
97; Inghirami, vasi litt. 40. 136; Collignon, 
catal. 271. 
б ) Vgl. Tibull. 3, 4, 87; Sen. Hercf. 787. 
: ) [Hör. c. 3, 11, 17 f.;] Ovid. met. 10, 
21; Sen. Hercf. 785 f. 
8 ) Dreiköpfig z. B. an dem kyprischen 
Geryonesrelief. 
9 ) d’Hancarville III 94; de Witte, 
cabinet Durand Nr. 310. 
10 ) B. Thorlacius, de Pegasi equi coe- 
lestis mytho Graeco, Havniae 1819; Münz 
bild des Geldes von Korinth und seinen Ko 
lonien. 
11 ) Meistens wird sie als „Missverständ 
nis“ erklärt, doch auf sehr verschiedene 
Weise: Clermont-Ganneatt, J. asiat. 1878 
S. XXIII f. (imagerie phenicienne I. 1880) 
(Löwe der einen Hirsch verschluckt); Milch- 
höfer, Anfänge der griech. Kunst S. 81 ff. 
(Löwe vor einer Ziege oder Gazelle); Benn 
dorf, Trysa S. 61 ff. m. Abb. (assyrischer 
Flügelstier). 
12 ) Furtwängler, Roschers Lex. 1,1742ff. 
13 ) Wie in Ägypten, S. 433. 
14 ) Z. B. bei Darstellung der Seelenwä 
gung in der Ilias und der des toten Patroklos; 
ferner auf der „kyrenischen“ Vase, welche 
angeblich Kyrene, thatsächlich aber Perse 
phone darstellt; vgl. auch Crusius, Roschers 
Lex. 2, 1141 ff. 
15 ) Jahn, archäol. Beiträge S. 128 ff.; 
Pottier, etude sur 1. lecythes p. 75 ff.
	        
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