Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

Kritik und Hermeneutik. (§ 396.) 
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Rundheit des Gesichtes und etwa die Nasenform von den gewöhnlichen 
Menschengesichtern ab weichen. 1 ) In ganzer Figur pflegen diese Schreck 
gestalten zu laufen, d. h. zu fliegen und haben wiederholt auch wirkliche 
Flügel. 2 ) Die Litteratur bietet für die weiblichen die Namen Gorgonen, 3 ) 
Harpyien und Lamia, 4 ) für die männlichen etwa Phobos und Deimos 
(S. 834); das bekannte Schreckgesicht im besonderen heisst schon bei Homer 
Gorgoneion. 5 6 ) Neben diesen orientalischen Märchen geht eine Sage ein 
her, dass Medusa die Liebe Poseidons erweckte; dies schien die Vorstel 
lung schöner Jungfrauen zu ergeben. 0 ) Nun trat an die Stelle des Gor- 
goneions das schöne Medusenhaupt, 7 ) welches dekorativ verwendet wird. 
Die Haare sind selbst Schlangenleiber oder mit solchen durchknotet; 
würden diese fehlen, so bliebe eine einfache Frauenmaske übrig; möglich 
wäre es, dass Medusa dann durch Flügel 8 ) oder die toten Augen zu er 
kennen wäre („Medusa“ Ludovisi), 9 ) indes wird in letzteren Bildern wie 
in Schlüters Masken eher eine Künstlerlaune zu finden sein. Mit den Gor 
gonen gehören die schlangenhaarigen Erinyen zusammen. 10 * ) Satyrn und 
Silene sind nur durch das Verschönerungswerk der Künstler in diese Reihe 
gekommen, folglich besser in die folgende Gruppe zu stellen. Es ist ja 
nun Zeit, zu den eigentlichen Mischwesen überzugehen, die wir vom archäo 
logischen Standpunkte behandeln müssen. 
Stiermänner und Mannsstiere sind im Mythus ungleich verteilt; 
einen Stierkopf hat Minotauros, u ) dagegen ein bärtiges Gesicht und ein 
Stierleib zeichnen eine Anzahl der griechischen Flussgötter aus, welche 
man „Acheron“ zu benennen pflegt. Es ist möglich, dass sich auch Dio 
nysosbilder darunter befinden. Einzelne gehörnte Köpfe sind nicht selten. 12 ) 
Der Mannslöwe fehlt, dafür tritt der unter den Ramessiden (S. 458) auf 
gekommene Frauenlöwe, die Sphinx ein; 13 ) wie im Orient, hat sie häufig 
Flügel. 14 ) Seit dem Perserkrieg verlieren sich die orientalischen Formen 
und es bleibt ein schöner, wohlfrisierter Frauenkopf auf dem schlanken 
Leibe einer Löwin, da man gefährliche Courtisanen damit vergleicht. 15 ) Der 
Löwenmann (mit Löwenkopf) ist am Kypseloskasten als Phobos bezeich- 
J ) Hieroglyphe der Hethiter: Tr. s. b. a. 
YII T. 3; Elektronmünze: Roschers Lex. 
l, 1708. 
2 ) Vier Flügel: männlicher Dämon, der 
zwei Wasservögel hält, auf Teller von Ka- 
miros, Jhst. T. 6. 
3 ) J. Six, de Gorgone, Amsterdam 1885, 
m. 4 T.; Gädechens, Hall. Encykl. 1, 74, 
387 ff.; Furtwängler, Roschers Lex. 1, 
1701 ff. 
4 ) Lamia wetzt ihre Hauer im Volks 
märchen (Hahn, griech. u. alb. Märchen 2, 
181). 
5 ) II. E 741 - Od. k 634. 
6 ) Pindar. Pyth. 12, 6 ff. 
7 ) Levezow, über die Entwicklung des 
Gorgonenideals in der Poesie u. bild. Kunst 
d. Alten, Abh. d. preuss. Akad. 1832, m. 5 T.; 
R. Gädechens, d. Medusenhaupt v. Blariacum, 
Bonn 1874, m. 1 T.; Brunn, Verh. der Phil.- 
Vers. zu Dessau 1885 u. Westermanns Mo 
natshefte 1885, Dez.; Helbig, Rendiconti 
dell’ accad. d. Lincei VI 2, 342 ff. 
8 ) Z. B. auf rhodischer Münze (Mionnet, 
descr. III 162, 418); Medusa Rondanini in 
München: Phot. Bruckm. 239 ; Wolters 
1597; ähnlich in Köln: das. 1598. 
9 ) Phot. Bruckm. 238; Wolters 1419. 
Nach Helbig a. 0. ist sie eine Erinys. 
10 ) Dirke s/idvoxo/uog Nonn. Dion. 8, 239. 
n ) Statue im Vatikan: Phot.; Helbig 1 
Nr. 180; s. die Litteratur unter „Theseus“; 
Bronzerelief von Perugia: Wolters 175. 
12 ) Wolters 56. 169; an Bronzeschilden 
von Corneto. 
13 ) Milchhöfer, Ath. Mitt. 4, 45 ff. 
11 ) Sphinx von Spata (S. 540); Münzen 
von Chios; Eurip. Phoen. 806. 1019. 1042, 
vgl. 809. 1027. 
lö ) Stephani, Nimbus S. 79 u. CR. 1863, 
152.
	        
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