Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

Kritik und Hermeneutik. (§ 395.) 
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dunklen Flügeln, von denen Schlangen zischen, 1 ) und eilig laufend * 2 3 ) — 
so stellen sich uns die Erinyen dar. Die Zeichner fassen sie als Jägerinen, 
weshalb sie kurzes Gewand, Stiefel, Jagdspeere und Bogen haben; auf die 
Gewissensqualen beziehen sich Fackel, Geissei und Schlangen in den 
Haaren, um Arme und Gürtel oder in den Händen der Göttinen. Ihr 
Blick flösst Schrecken ein. Ausnahmsweise bedeutet ein Spiegel die 
quälende Erinnerung. 4 ) 
Das freundliche Gegenstück zu den Erinyen ist Eros, 5 ) welchen die 
Älteren nur als einen schönen goldblonden Knaben oder Epheben in Pur 
purgewand, 6 ) der ähnlich wie die Chariten Blumen, 7 ) Früchte oder eine 
Leier in den Händen hält, darstellen; von sterblichen Altersgenossen 
unterscheiden ihn die Flügel, welche übrigens zuweilen fehlen, 8 ) worüber 
später manches spintisiert wird. 9 ) In der Mehrheit erscheinen die Eroten 
schon während der dem Xerxeskriege vorausgehenden Generation, wobei 
manchmal der Name wechselt (Pothos, Himeros). Die Attribute des Eros 
sind symbolisch: Bogen und Pfeil, 10 ) mit dem er unversehens trifft, und 
die Fackel der Leidenschaft. Die Kaiserzeit gibt ihm häufig beides zu 
sammen. 11 ) Blitz, Hammer und Stachel sind nur vereinzelt geblieben. 12 ) 
Veränderlich wie Eros ist, darf er auf einer Kugel stehen. 13 ) Als man 
das Kinderleben zu studieren begann, boten diese olympischen Kinder 
reichen Stoff für Dichter und Künstler; die Flügel sind ja eigentlich nur 
aus einer Art Scheu vor dem Realismus hinzufügt. Man sieht die Eroten 
in allen möglichen Beschäftigungen der Menschen; 14 ) manche Scene ent 
behrt der Pointe nicht, wie wenn Eroten mit dem Blitze des Zeus, dem 
Bogen und der Keule des Herakles oder den Waffen des Ares spielen. 15 ) 
Der Ausdruck wechselt, je nachdem das Alter des Eros gedacht ist. Im 
allgemeinen dürfte der kindliche Eros freundlich lächeln, 16 ) der heran 
reifende ernster blicken 17 ) oder in Träumereien versunken sein, wie der 
schöne „Eros“ von Centocelle. 18 ) 
1) Eur. IT. 289. Or. 275. El. 1255; 
Yerg. A. 7, 408. 476. 561; dagegen Aesch. 
Eum. 241 anTEQoig UMrrj^aat. 
2 ) Enr. Or. 317. 
3 ) Peitsche des strafenden Gottes: Aesch. 
Sept. 591; Schlangengeissel: Nonn. Dion. 10, 
38; Fackel und Harpe: Achill. Tat. 1, 3 
p. 7,27 ff.; Doppelbeil: Sarkophag bei Preller, 
Ber. d. sächs. Ges. 1850 T. 8. 
4 ) Spiegel auf Yasenbild: Raoul-Ro- 
chette, mon. ined. T. 36 == Roschers Lex. 
1, 1331. 
5 ) Furtwängler, Eros in der Vasen 
malerei, München 1875 u. Roschers Lex. 1, 
1349 ff. 
6 ) Sappho 64; bunte Haarbinden: Anacr. 65. 
7 ) Mit Rosen bekränzt: Aristoph. Acharn. 
991. 
8 ) Kalkmann, AZ. 41, 135 A. 102. 
9 ) Kalkmann a. 0.; vgl. Theophyl. epist. 
36. 54; cupido involat Tac. A. 1, 49. 
10 ) Angedeutet bei Aeschylus (Prom. 649), 
sicher bei Eurip. Hipp. 530 ff. Med. 530. 
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. VI, 
erhalten weitere Gemütsbe- 
IA. 546. 
11 ) Tibull. 2, 1, 82; Sen. Phaedra 281; 
Apul. met. 4, 30; Nonn. Dion. 1, 399 ff. 4, 
240; Portlandvase: Gemälde bei Philostr. 
jun. 7 u. Achill. Tat. 1, 1, 13; Relief: Braun, 
antike Marm., Dekade II 5a; s. Brunn, 
philostr. Gemälde S. 279. 
12 ) Blitz: Schildzeichen des Alkibiades, 
Plut. Älcib. 16; Plin. nat. hist. 36, 28; Ham 
mer: Anacr. 48; Stachel: Nonn. Dion. 1, 329. 
13 ) Bronzen, z. B. Wolters 1742. 
u ) S. 708; Haupt, Sitzungsber. d. sächs. 
Ges. d. Wiss. 1849, 40 ff.; Stephani, d. aus 
ruhende Herakles S. 350 ff.; Furtwängler 
a. O. I Sp. 1366 f. 
15 ) Eros zur Strafe an einen Baum ge 
bunden: O. Jahn, Ber. d. sächs. Ges. 1851, 
163 f. 
16 ) Renidens Sen. Phaedr. 282. 
17 ) Eros Farnese im Louvre: Phot. Bruck 
mann 378, Giraudon. 
18 ) Wolters 1578; Helbig I 183 (auf 
Thanatos gedeutet); Phot, Bruckm. 379; 
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