Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

Kap. VII. Die erste hellenisierende Periode: Erringung der Freiheit. (§ 384.) 609 
giesser sowohl den Nabel zu tief setzen als auch, was gesondert in kleinen 
Bronzen häufiger vorkommt, die Medianrinne (linea alta) senkrecht über 
den Bauch bis zu den Schamhaaren verlaufen lassen. 1 ) Plinius schreibt erst 
Pythagoras die korrekte Darstellung des unter der Haut durchscheinenden 
Adern- und Muskelsystems zu. Und so wird bald da bald dort ein Schritt 
über oberflächliche Stilisierung hinausgethan; es bekundet schon rein 
künstlerischen Sinn, wenn die äginetischen Hopliten die korinthischen 
Helme zurückgeschoben und die Wangenschützer aufgeklappt tragen, da 
mit man ihr Gesicht erkenne. * 2 ) Am längsten leistete, nachdem die poli 
tischen Schranken gefallen, die Kultustradition dem neuen Geiste Wider 
stand; sie bewahrt nicht etwa blos die Erscheinungsformen der alten 
Götter — wie z. B. Onatas das pferdeköpfige Bild von Phigaleia erneuert —, 
sondern sie setzt dem Schönen hartnäckig das Kostbare voran. Man liebt 
noch immer Götterbilder von Gold und Elfenbein über alles 3 ) und ver 
silbert oder vergoldet wenigstens das Gesicht. 4 ) Kimon weihte ein ver 
goldetes Palladion auf einer Palme. 5 ) Figurierte Gewänder und rote 
Schuhe schmückten noch immer die Götterbilder. 6 ) Votivstatuen trugen noch 
die ganze Periode hindurch Weihinschriften am Leibe statt an der Basis. 7 ) 
Die Malerei ist gleich der Plastik erst von diesem Zeitalter an als 
Kunst anerkannt. Die landläufige Malergeschichte begann mit Polygnot, 8 ) 
wogegen die genaueren Kenner Kimon von Kleonai an die Spitze stellten. 9 ) 
Inmitten des Gebietes der alten Thonmalerei aufgewachsen, soll er zuerst 
mannigfaltige Stellungen des Kopfes, Anatomie und Gewandfalten einge 
führt haben. Von seinen Werken blieb ein Steinbruchstück mit der Um 
risszeichnung eines Delphins übrig. 10 ) Zu den alten Topf erstatten gehörte 
die Weininsel Thasos; hier lebte der Maler Aglaophon, welchen seine 
Söhne Aristophon und Polygnotos in der gleichen Kunst übertrafen. 11 ) Als 
Kimon manchen edlen Mann aus den Städten der Bundesgenossen nach 
Athen zu kommen anregte, begab sich Polygnotos nach Athen 12 ) und 
setzte seinen Stolz darein, die von Kimon veranlassten profanen und reli 
giösen Bauten mit seinem Pinsel zu schmücken, wofür er das athenische 
Bürgerrecht erhielt. Unter Perikies soll er noch zur Pinakothek der 
Propyläen Bilder geliefert haben. 13 ) Am berühmtesten machten ihn jedoch 
! ) Kalkmann, Jahrb. 7, 133 ff. m. T. 4. 
2 ) Ersteres öfter in Porträts, z. B. an 
dem Kopf der Glyptothek (Bruckm. Phot. 
21. 22) und bei Perikies. 
3 ) Der goldene Mantel der Parthenos 
war abnehmbar, um in der Not geborgt 
werden zu können. 
4 ) Pindar. Istbm. 2, 8, vgl. Eurip. fr. 
490; hölzerner Apollo des Patrokles?: Paus. 
6, 19, 6. 
5 ) Benndorf, Kultusbild der Athena Nike 
S. 40. 
6 ) Gewand z. B. des olympischen Zeus; 
rote Schuhe: Pindar. Ol. 6, 94 (vgl. die meli- 
sche Vase AZ. 1852 T. 61). 
7 ) R. v. Schneider, die Erzstatue vom 
Helenenberg S. 20. 
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. VI. 
8 ) Tbeophrast bei Plin. 7, 205. 
9 ) Plin. 35, 56; Aelian. v. h. 8, 8; vgl. 
das Epigramm Anthol. Planud. 4, 84. Über 
seine Zeit vgl. S. 538,13. S. auch Klein, Eu- 
phronios S. 2 45 ff. Einfluss auf den Vasen 
maler Euphronios: Hartwhg, Meisterschalen 
S. 154 ff. 
10 ) Aus der Nähe von Hermopolis auf 
Kreta, im Eitzwilliam-Museum (Cambridge): 
Michaelis, anc. marbles S. 248, 13. Inschrift: 
(Kl)[xwv eyQacps fxe. 
11 ) Vgl. die Inschrift in der Lesche und 
Plato Gorg. p. 448 b (mit Scholion). 
12 ) Über seine Zeit Furtwängler, Samml. 
Sabouroff I. Vasen S. 5 f. 
13 ) Diese spricht ihm Robert, Bild und 
Lied S. 182 f. ab. 
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