Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

Kap. VI. Die zweite orientalisierende Periode der Weltgeschichte. (§ 826.) 541 
standen die etwaigen Verschlüsse der Fenster in gesonderten, nachträglich 
eingepassten Platten. Sodann musste jeder Mann von feinem Geschmacke 
die einförmige Fläche des Giebelfeldes gegliedert wünschen. Den Anfang 
werden aller Wahrscheinlichkeit rein dekorative Platten mit orientalischen 
Tieren und Flügelwesen gemacht haben; den Übergang von dieser Stufe 
zu den mythologischen Bildern veranschaulichen die Metopen des ältesten 
Tempels von Selinunt, der die Chiffre D trägt. ! ) Dort sind nämlich ausser 
jenen Wesen nur einzelne Personen in Gruppierung mit Tieren zugelassen. 
Vom roten Grunde heben sich die farbigen Figuren im Profil ab, nur der 
Stierkopf erscheint von vorne. Der Zweitälteste, mit C bezeichnete Tempel, 
welcher um 600 gebaut sein mag, weist eine Reihe von Metopenplatten 
auf, * 2 ) welche auf rotem Grunde in rotem Rahmen erhaben, teilweise fast 
ganz rund gearbeitete und bemalte Darstellungen aus der Mythologie 
zeigen; die Malerei steht auf dem Standpunkt der Vierfarbigkeit (Rot, 
Blau, Grün und Gelb). Der Steinmetz hat die Metopen als Fenster, aus 
denen die Figuren herausblicken, aufgefasst, obgleich dies die Gruppen 
lächerlich verzerrt. Giebelreliefs lernten wir erst durch das sogenannte 
Schatzhaus der Megarer in Olympia 3 ) kennen, wo der Kampf der Götter 
und Giganten dargestellt war, aber in Gruppen aufgelöst, denen man die 
Vorbildlichkeit von Metopenreliefs ansieht. In Athen dagegen entwarf ein 
ungenannter Maler eine Komposition, die der Form des Giebelfeldes ent 
sprach, indem er auf den Gedanken verfallen war, ein sich ringelnder 
Drachenleib passe in die unbequeme Giebelecke am besten hinein. Konnte 
er da einen anderen Mythus lieber wählen als Herakles und die Hydra? 4 ) 
Diese Zeichnung, welche auch zu einem Vasenbilde herhalten musste, 
wurde in flachem Relief ausgeführt und ist als Wandgemälde, nicht als 
Skulptur zu betrachten. Hierauf griffen die selbständigen Bildhauer den 
Gedanken auf und führten ihn in Hochrelief aus, nicht ohne denselben zu 
übertreiben. An einem Tempel sah man auf der einen Seite Herakles mit 
Echidna und Zeus mit Typhoeus, auf der anderen Herakles mit Triton und 
den Schlangenkönig Kekrops. 5 ) Etwas Abwechslung brachte der Diony 
sostempel der Akropolis mit seinem bakchantischen Tanz. 6 ) Am Stein ist 
vieles angestückt, weil Stuck und Farbe die Schnittstellen deckten; die 
0 Mon. ant. I Sp. 957 ff. mit 8 Tafeln 
(Europa als zartes Mädchen auf dem Stier, 
geflügelte Sphinx, Herakles u. Stier); Bruckm. 
Phot. 288. 
2 ) Benndorf, die Metopen von Selinunt, 
Berlin 1878; farbig bei Serradifalco, ant. 
della Sicilia II 25. 26; Originale in Palermo; 
Phot.; Abg., Wolters 149—51; am besten 
erhalten sind 1. Herakles mit den Kerkopen, 
2. Perseus und Medusa, 3. Viergespann mit 
Wagenlenker und zwei Figuren. Benndorf 
S. 26 weist die Tempel C und D der Grün 
dungszeit der Stadt (nach Thukydides 629, 
nach Diodor 651) zu. 
3 ) Ausgrab. v. Ol. IV T. 18. 19; voll 
ständiger Treu, AZ. 1880 S. 50 ff; Berliner 
Abguss. Auch von dem (vielleicht noch äl 
teren) Schatzhause der Kyrenäer sind Reste 
erhalten (Studniczka, Kyrene S. 28 ff. mit 
Abb.; Berl. Abgüsse). 
4 ) Bruckm. Phot. 16; 3 Ed. 1884 T. 7; 
Ath. Mitt. 1885 zu S. 237; Overbeck IS. 180; 
Collignon I 213; vgl. Purgold, "JE«. 1885 
S. 236 f.; Studniczka, Jahrb. 1, 87 ff. (Ver 
hältnis zu der Vase bei Gerhard, AV. II 
T. 95—6; Rayet, ceram. S. 125); Wilamo- 
witz, Euripides’ Herakles 2, 286 ff. 
5 ) Ath. Mitt. 14, 67 ff. m. T. 2. 3; Am. 
J. VIII T. 1 (in Farben) S. 28 ff.; Overbeck 
1 zu S. 180; Collignon I 207; Ath. Mitt. 14, 
68 f. 15 T. 2; kleinerer Giebel, ebenfalls mit 
Herakles u. Triton, abgeb. Ath. Mitt. XI T. 
2 u. 3 Eä. 1888 S. 99; Overbeck 1 180. 
6 ) Athen. Mitt. 1886 T. 2.
	        
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