Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

Kap. VI. Die zweite orientalisierende Periode der Weltgeschichte. (§ 326.) 539 
Aus der älteren Zeit führten sie nur lächerliche Dinge an, wie dass den 
einzelnen Figuren ihre Bezeichnung (z. B. Rind, Pferd, Baum) beigesetzt 
wurde oder dass in der „Athenageburt“ des Kleanthes Poseidon seinen 
heiligen Fisch in der vorgestreckten Hand zu offerieren schien. 1 ) Aber 
schon Empedokles bekundet das nachmals so oft hervortretende Interesse 
der Philosophen für die Malerei. 2 ) 
326. Wenn wir uns nun zu den Bauten, an denen die Kunst mit 
wirkt, wenden, so bringen es die Verhältnisse Griechenlands mit sich, dass 
die Tempel an der Spitze stehen, denn zu diesem Zwecke allein pflegten 
die Mittel des Ganzen zu fliessen. So sah diese Periode Wunderhauten 
wie das Heraion auf Samos und den Tempel der ephesischen Artemis er 
stehen. 3 ) Die grossen Heiligtümer geben in der politischen Zersplitterung 
den einigenden gemeinsamen Boden der Parteien ab und auch die Ty 
rannen wollen sich dieser klugen Frömmigkeit nicht entschlagen, sondern 
die Peisistratosdynastie z. B. unternimmt ausser einem gemeinnützigen 
Werke den Riesentempel des olympischen Zeus. Von allen Tyrannen hat 
nur Polykrates einen grossen Palast errichtet, der bis jetzt noch verborgen 
liegt; 4 ) die Wohnhäuser der einzelnen Staatsbürger 'aber waren schon 
wegen der gegenseitigen Beargwöhnung auf das einfachste ausgestattet. 
Mehr durfte der Privatmann für die Gräber thun. Indes fehlen bedeutende 
Grabbauten; die Hügelgräber gaben nur Gelegenheit, auf der Spitze ein 
Bildwerk anzubringen. Da diese Privatleistungen sich an jene Votivtafeln 
und die Plastik anschliessen, wollen wir mit dem Bilderschmuck der Gräber 
beginnen. 
Während in Lydien einfache Spitzsäulen herkömmlich waren, näherte 
sich Griechenland mehr dem ägyptischen Brauche, indem man häufig das 
Bild des Verstorbenen an dem Grabstein anbrachte. Doch hatte der ägyp 
tische Gedanke der persönlichen Unsterblichkeit hier keine Geltung, son 
dern die Griechen führten, die Unsterblichkeit in den Nachruhm setzend, 
nur den Begriff des Denkmals konsequent durch. Da Sparta unter 
den griechischen Kleinstaaten die Führung hatte, drückt es seine Hege 
monie auch in den Denkmälern aus. Während alle bedeutenderen Denk 
mäler Athens der folgenden Periode zuzuweisen sind, 5 ) gehören mehrere 
Grabreliefs Spartas ohne Zweifel hieher. Am bekanntesten ist das Relief 
von Chrysapha, das auf einem Grabhügel gefunden wmrde; es zeigt ein he 
roisiertes Ehepaar, welchem Totenspenden dargebracht werden; 6 ) ein zweites 
ist fast identisch. 7 ) Kreta hat uns ein fast orientalisches Relief gebracht, 
das den Toten nach mykenischer Sitte zu Wagen zeigt. 8 ) Über andere 
spartanische Reliefs mit Inschriften erlaubt der Stand der Epigraphik noch 
nicht ein genaues Urteil zu fällen; 9 ) die Kalksteinreliefs Lakoniens und 
Athen Nr. 41). 
6 ) Wolters 58; Samml. Sabouroff T. 1; 
Bruckm. Phot. 227. 
7 ) Wolters 59. Der Typus dauerte Jahr 
hunderte lang fort. 
8 ) Unten Jagdhund: aus Itanos, KQ^uxal 
aQ/cciot. T. 16. 
9 ) Z. B. aus Magula in Berlin: Ath. Mitt. 
9 Inschriften: Plin. 35, 16; Aelian. v. h. 
10, 10; Poseidon: Athen. 8, 346c. 
2 ) V. 87 ff. Mullach bei Porph. abstin. 
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8 ) Herod. 2, 148. 3, 60. 
4 ) Suet. Calig. 21. 
5 ) Eigenartig ist der dreiseitige Grab 
stein yon Koropl (Ath. Mitt. 1887 T. 2,
	        
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