Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

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Klassische Kunstarchäologie. I. Denkmälerkunde. 
eine Generation über der anderen baute, brauchen die Bauleute nur Grund 
auszuheben, um unversehens in eine ältere Schicht zu geraten; aber früher 
redete man nur in Ausnahmsfällen davon,wie als während der Krönungs 
feier Friedrichs I. das „Grab der Pallas“ entdeckt wurde. Die Zufallsfunde 
erreichten eine besondere Ausdehnung erst in neuester Zeit durch die rö 
mische Bauspekulation und die Anlage der kleinasiatischen Eisenbahnen. 
Absichtlich in der Erde zu graben, fiel meistens nur den Schatz 
gräbern ein. Dieser an abergläubischen Künsten reiche, durch Träume * 2 ) 
beförderte Erwerbszweig beginnt schon im Altertum zu blühen, 3 ) und wird, 
als der Staat dem Bankerott nahe kommt, sogar offiziell betrieben, 4 ) was 
in der Renaissance wiederkehrt, 5 ) und grassiert jetzt besonders im Orient, 
wo beschriebene Steine für Verstecke von Schätzen gelten, die man nur 
klein zu schlagen brauche, 6 ) um zu letzteren zu gelangen. In jeder tiefen 
Höhlung des Berges erblickt das Volk Asiens eine Schatzhöhle, jede ko 
lossale Statue bewacht Schätze. 7 ) Was der Schatzgräber gewinnt, kommt 
nicht der Wissenschaft zu Gute, sondern wandert gewöhnlich beim Gold 
oder Silb erarbeit er 8 ) in den Schmelztiegel, welches Los auch schon zufällig 
gefundenen Horten zuteil ward; 9 ) gar oft freilich verwandelte sich der 
geträumte Reichtum in Kohlen und Asche, d. h. der Fund bestand in einer 
Aschenurne, mit der man nichts anzufangen wusste. 
Litteratur: Wright, Archaeologia Bd. XXX S. 438 ff.; G. Zappert, Sitzungsber. der 
Wiener Ak. 1850 II S. 752-98. 
10. Wie die Religion so oft den Anstoss zu Fortschritten gab, so 
haben auch die eigentlichen Ausgrabungen von religiösen Absichten 
ihren Ausgang genommen. Schon die neubabylonischen Könige nämlich 
gruben nach den Fundamenten und Bauurkunden der Heiligtümer der 
Vorzeit, damit ihre Neubauten gegen die Orthodoxie nicht verstiessen. 10 ) 
In der Zeit des Christentums folgen die Grabungen in Palästina nach dem 
Kreuzigungsorte, 11 ) Märtyrerstätten und heiligen Bildern. 12 ) 
Sylvester II., der gelehrte Mystiker, mag zuerst aus profanem In 
teresse in Rom gegraben haben, wenn ihn auch die Menge für einen 
Schatzgräber hielt. 13 ) Der seit dem zwölften Jahrhundert zunehmende 
’) Z. B. ein altrömisches Beispiel bei 
Zosimos 2, 2; dann Pausan. 5, 20, 8 ; in 
Attilas Zeit: Jordanes K. 20; vom Jahre 
1300 in Österreich Chronik des Bernhard. 
2 ) Tacit. A. 16, 1 ff.; Prophezeiung Suet. 
Vesp. 7. 
3 ) Artemid. 2, 59; phantastische Erzäh 
lungen, in denen rätselhafte Inschriften eine 
Rolle spielen: E. Rohde, griecb. Roman 
S. 366 f. A. 2. Über Schatzgräberei s. be 
sonders Zappert, Sitzungsber. der Wiener 
Akad. 1850 II 787 ff. 
4 ) Olympiodor bei Phot. bibl. I p, 60 a 
23 ff. B. 
5 ) Ein Fall aus dem Jahr 1490: Raiser, 
das röm. Antiquarium zu Augsburg S. 6 A. 9; 
s. auch Burckhardt-Geiger, Die Kultur der 
Renaissance in Italien I 3 S. 325 A. 2. 
6 ) Sterret, leaflets p. 7 ff.; Reinach, 
chroniques p. 16; über andere abergläubische 
Vorstellungen Politis, {ieUtt] 1,147 ff.; Per 
rot, memoires p. 324 ff. 
7 ) Abdallatif K. 4 p. 196 f. 
8 ) Ein alter Fall bei Theophanes Chron. 
I p. 231, 3 Bonn. 
9 ) So liess die Eidgenossenschaft den 
Silberfund von Wettingen 1633 einschmelzen 
(Ferd. Keller, Mitt. d. antiqu. Gesellsch. in 
Zürich 15, 133 ff.); unter Kaiser Ludwig dem 
Deutschen wurde ein Goldfund für Kirchen 
verwendet (Mon. Germ, script. II 754). Her- 
moldus Nigellus rät das gleiche mit zwei 
Bronzestatuen zu thun. 
10 ) Ztsch. f. Assyriol. 1, 35. 
n ) Aler. Holder, inventio sanctae cru- 
cis, Lpg. 1889. 
12 ) Z. B. Grab des „Job“ bei Karneas: 
Silviae peregrinatio p. 61; bei den Griechen 
wiederholt sich dies noch in unserem Jahr 
hundert (Ross, Inselreisen 3, 34). 
13 ) Wilhelm v. Malmesbury, de regibus 
Angl. II 10.
	        
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