Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

22 
Klassische Kunstarchäologie. I. Denkmälerkunde. 
und werden fälschlich dem Mittelalter aufgebürdet; schmolz doch schon 
Justinian eine bleierne Röhrenleitung für seine Bauten ein 1 ) und anderer 
seits wurden im griechischen Aufstande wegen des Bleies der Verklamme 
rungen die Cellamauer des Parthenon und Hadrians Wasserleitung einge 
rissen. Not kennt eben keine Rücksicht. 
Derartige Zerstörungen um des Materiales willen dauern bis auf den 
heutigen Tag fort, meist im Geheimen, aber in Algerien und Tunis offen. 2 ) 
7. Absichtliche Zerstörung, die ihren Zweck in sich selbst 
hatte, schadete verhältnismässig wenig, jedenfalls viel weniger, als mancher 
den Gothen, Mönchen und Türken — jetzt auch wohl ein Grieche den 
Bulgaren — Zutrauen möchte. Religiöse Bilderstürme hat das Altertum nur 
selten erlebt, wie Ägypten unter Chuenaten und Juda unter Hiskia und Hosia; 
die bildlosen Perser schonten die griechischen Tempel und Götterbilder 
begreiflicherweise nicht. Bei den Christenverfolgungen wurden natürlich 
die gegen das Vereinsgesetz errichteten Kirchen und gemeinsamen Grabstätten 
niedergerissen. Unklarer liegen die Verhältnisse der Zeit, wo es mit dem 
Götterdienste abwärts ging. Als der Rationalismus herrschte, stellte man 
sich vor, fanatische Mönche hätten die Tempel und Götterbilder planmässig 
verwüstet, was spätgriechische Schriftsteller allerdings zur Erbauung ihrer 
Leser den rechtgläubigen Kaisern nachrühmten. 3 ) Als die übliche Praxis 
können wir feststellen, dass die Regierung die Tempel als Festplätze bestehen 
liess, 4 ) nutzbar verwertete oder an die Kirche zur Wiederbenützung schenkte 
(S. 17), die Götterbilder aus edlem Metalle (S. 21) wurden allerdings zer 
stört, solche von Kunstwert blieben dagegen im Tempel zugänglich oder 
kamen an Orte, wo sie keinen Anstoss erregten; sie sollten fernerhin die 
Städte zieren, aber rein vom Opferblute nur das Auge erfreuen. 5 ) Der 
Staat griff dort ein, wo das Vereinsgesetz verletzt wurde (wie durch 
Kirchen der Häretiker) 6 ) oder wo seine Kontrole machtlos war, wie bei 
mysteriösen Kulten — 389 wurden das Serapeum und das Mithreum in 
Alexandrien zerstört —, bei ländlichen Heiligtümern 7 ) und Hausgöttern. 8 ) 
Es versteht sich, dass auch die Zerstörung der Venustempel mit ihren 
fornices seit dem Sittengesetze Konstantins betrieben wurde. 9 ) An manchen 
Orten konnte freilich auch religiöser Zwiespalt der Bevölkerung, wenn 
lokale Verhältnisse ihn verschärften, Ausschreitungen veranlassen, was 
besonders in Asien geschah. Hatten unter Julians Schutz die Heiden von 
Emesa die christlichen Gräber zerstört, 10 ) so nahmen später die Griechen 
Asiens wieder an den Tempeln Rache. 1 [ ) Die Erbitterung der Mohamme- 
9 Zonaras 14, 6 p. 274, 15 ff. Dindokf; 
vgl. auch Cassiod. var. 8, 81. 
2 ) Ga. 9, 68 f. 
3 ) Cedren. I p. 498 (Bonn); Theophanes 
Chron. J. 5816 u. 5822; Georg. Alex, bei 
Photios Cod. 96 p. 80 b 1 ff. Vgl. Fr. Unger, 
Quellen der byzant. Kunstgesch. S. 9 ff. Die 
Motive des von Eusebios vit. Const. 8, 56 er 
zählten Falles sind unbekannt. 
4 ) Verordnung des Constans Cod. Theo 
dos. 16, 10, 8. 
5 ) Vgl. die Verordnungen im Codex 
Theodosianus 16,10,8.15.17—19; Codex 
canonum eccl. Afr. 58; Prudent. c. Synum 
1, 501 ff. perist. 2, 481 ff.; Euseb. v. Const. 8, 
54; Sozomen. 2, 5. Zu dem scheinbaren Zer 
störungsbefehl vom Jahre 426 (Cod. Theod. 
Ges. 25) s. Gothofredus’ Anmerkung. 
6 ) Sozomen. 5, 5; Socrat. 8, 11. 
7 ) Verordnung vom Jahre 899: Cod. 
Theod. 16, 10, 16. 
8 ) Malalas 18,492; privat Theophan. 5810. 
9 ) Euseb. v. Const. 8, 55. 58. 
10 ) Julian. [UGonajyüov p. 416, 16. 466, 
6 EL; Theophan. 5858. 
11 ) Sozom. 2, 5, vgl. 5, 5. Theodoret. 5,
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.