Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

Kap. I. Einleitung. (§ 804.) 
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Schulzusammenhang feststellen zu können; 1 ) auch bestimmten sie danach 
die Zeitfolge, unbekümmert um die geschichtlichen Thatsachen. Hieraus 
ist z. B. die seltsame Entwicklungsgeschichte der Erzbildnerei, welche man 
bei Plinius lesen kann, entsprungen. Die peripatetische Vorliebe für Fest 
stellung eines Erfinders (svQrjfiaTa) berührte auch diese Kreise; die ano 
nymen Werke ignorierend, schrieben sie nur bekannten Künstlern eine 
„Erfindung“, z. B. die des Bohrers (S. 398) zu. Wir pflegen überdies 
zu wenig an den Schaden zu denken, welchen Kunsthandel und Museen 
wesen angerichtet haben. Als die reichen Kunstfreunde sich mehrten, 
tauchten überall Werke berühmter Meister auf, sei es, dass sich der Käufer 
mit der mündlichen Versicherung begnügte und auf sein eigenes Urteil 
vertraute * 2 ) oder dass eine beurkundende Inschrift auf ein altes anonymes 
Werk gesetzt wurde; 3 ) endlich fanden die Händler geschickte Leute, 
welche auf Bestellung Werke alter Meister fälschten. 4 ) So naiv waren 
schon damals die Sammler, dass sie Silbergeschirr als Arbeit berühmter 
Bildhauer', 5 ) und lateinische Inschriften griechischer Meister 6 ) hinnahmen; 
noch weniger konnte man es ihnen verargen, wenn sie Bilder Alexanders und 
seines Freundes dem Polyklet beilegten. 7 ) Kunstwerke berühmter Meister 
also, welche Schriftsteller römischer Zeit von sich aus erwähnen, sind so 
verdächtig 8 ) wie die Raphaels und Tizians der altmodischen Gallerien; 
indes konnte auch sonst, z. B. in Tempeln, die Phantasie der Fremden 
führer manche kunstgeschichtliche Tradition schaffen. Dass aber ein Meister 
berühmt wurde, hing davon ab, dass seine Werke in Delphi, Olympia und 
Athen und später in dem letzteren oder zu Rom der grossen Menge zu 
gänglich waren. 
Litteratur: L. Gerlach, über Mythenbildung in der alten Kunstgeschichte, Dessau 
1888; Robert, archäologische Märchen aus alter u. neuer Zeit, Berlin 1886. 
304. Die Kunstthätigkeit unterliegt der geschichtlichen Betrachtung, 
da weder das Auge in jedem Zeitalter seine Empfindungen gleich auffasst 
noch die Hand das Gesehene gleich zur Anschauung bringt. Jenes ist ja 
kein Spiegel und noch weniger ein Momentphotograph, sondern es fasst 
das Geschaute unter dem Einflüsse des Denkvermögens subjektiv; die je 
weiligen Vorurteile nun beeinflussen den Betrachtenden in sehr verschie 
dener Weise, so dass der eine Dinge sympathisch betrachtet, die dem 
anderen unschön Vorkommen, dass die meisten die blosse Ersöheinung in 
sich aufnehmen, ohne ihre Gründe zu verstehen und darum alle Einzel 
heiten zu durchdringen, während manche diese naturhistorischen Kennt 
nisse haben; es handelt sich dabei zumeist um anatomisches Wissen. Dies 
hängt schon mit dem zweiten Punkte, der Wiedergabe zusammen. Wie 
wohl Stümperei jederzeit vorkommt und einzelne Produkte geradezu zeit- 
*) Ein schwankendes Urteil Paus. 8, 
17, 6. 
2 ) Stat. silv. 4, 6, 22 ff. 
3 ) Gefälschte Inschriften bei Löwy, In 
schriften Nr. 497 ff. 
4 ) Nach „Zenobios’“ Sprichwörtern Y 
82 kam dies oft vor; vgl. Hirscheeld, tit. 
p. 12. 
8 ) Martial. 6, 92. 
6 ) Löwy a. 0. 488 a. 489 ff. 
7 ) Quidam hei Plin. 34, 64; Apul. flor. 
7 p. 7, 19 Krüger. 
8 ) Z. B. die Würfelspieler Polyklets 
Plin. 84, 55; von Myron Hund Plin. 84, 57 
(vgl. 38), trunkene Alte 36, 33 (34, 57 nicht 
erwähnt) u. A.; s. Sitte, Würzburger An 
tiken S. 7.
	        
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