Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

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Klassische Kunstarchäologie. I. Denkmälerkunde. 
Kap. X. Die eigentlichen Künste. 
298. Die Kunst im engeren Sinne hat mit den Aufgaben des thätigen 
Lebens nichts zu thun; statt gleich dem Kunstgewerbe etwas nützliches 
schön zu gestalten, schafft sie frei und findet ihre Aufgabe in dem bild 
lichen Ausdruck von Vorstellungen, welche unmittelbar durch die Natur 
erweckt (real) oder in Erinnerungen an Naturgebilde zusammengestellt 
(ideal) sind. Je nachdem bei der Nachbildung die plastische Form oder 
die Farbe betont wird, erscheint die Kunst als Plastik oder Malerei spe 
zialisiert. Indes sind diese erst vor etwa hundert Jahren durch den 
Classicismus volle Gegensätze geworden. Vorher, zumal im Altertum, und 
damals wieder um so mehr, je älter die Entwicklungsstufe ist, besteht 
keine scharfe Grenze zwischen Malerei und Plastik; im Gegenteil hat die 
reine Malerei damit begonnen, die bemalte Skulptur, wenn man dieselbe 
aus irgendwelchen Gründen nicht anwenden wollte, zu ersetzen. Zunächst 
wollen wir also ohne Rücksicht auf die übliche Einteilung eine allgemeine 
Einleitung über die Mittel und die Technik der Künste vorausschicken, 
wobei wir jene in der bereits früher befolgten Ordnung durchgehen. 
Über die Holzschnitzerei sprechen die Alten wenig; 1 ) man nimmt 
nicht selten mehrere Stücke dazu, weil ein grosses Holzstück leichter als 
ein geschnittenes reisst, z. B. wird die Rückenpartie selbständig gearbeitet. 
Dazu passt die Anekdote, Theodoros und Telekles hätten getrennt von ein 
ander die Hälften einer Statue gearbeitet. 2 ) Unter den Bäumen wählten 
die Griechen die wohlriechende Cypresse, die Eibe und die Kedros (Juni 
perus phoenicea L.), die Eiche und den Buchsbaum. Aus überseeischen 
Ländern kam die Ceder, das Ebenholz, die afrikanische Lotos und das von 
ebendort stammende Thyon (Tuja). 3 ) Da bis auf altägyptische Figuren 
und Statuen die Holzbilder verschwunden sind, muss die schriftliche Über 
lieferung hier eintreten. Die zahlreichen Stellen verteilen sich über alle Pe 
rioden der antiken Kunst, selbst wenn wir in Anschlag bringen, dass £davor 
seit Euripides jedwede Figur, nicht bloss eine hölzerne bedeuten konnte. 4 ) 
Indes sind dies alles Götter- oder doch Votivbilder; der Cultus einte darin 
alle Volksschichten, denn Bauern und Hirten schnitzten sich selbst ihre 
Götterbilder. 5 ) Als die Kaiserverehrung begann, wurden auch die Regenten 
mit einbezogen. 6 ) Andere Holzbilder blieben etwas ganz vereinzeltes, 7 ) 
nur in den Anfängen der griechischen Kunst behielten sie den Vorrang. 
Die frühesten olympischen Sieger, welche ihre Bilder weihten (Ol. 59 und 
61), Hessen Holz dazu nehmen. 8 ) 
Litteratur: Quatremere de Quincy, le Jupiter Olympien p. 87 ff. 
9 Ob an einer Yase strengen Stiles 
(Jahn, Ber. d. sächs. Ges. 1867 T. 5, 1 — 
Schreiber, kulturhist. Atlas T. 78, 7) ein 
Hermenschnitzer oder ein Bildhauer darge 
stellt sei, lässt sich nicht ersehen. 
2 ) Diodor. 1, 98. 
3 ) Hauptstelle Paus. 8, 17, 2; Triton aus 
Cypressenholz: Polemon bei Ath. 11, 480 a; 
von Cedernholz waren z. B. die Kypseloslade 
und ein Bild für Asklepios: Theocrit. Anthol. 
6, 887, 4; Hermes aus Thyon a. 0. 
4 ) Jhst. 11, 188. Koloss in Cumae: Coe- 
lius Antip. fr. 54 Peter. 
5 ) Z. B. Leonid. Tarent. Anthol. 9, 826, 
2; Ps. Vergil. p. 158 II 1 Bährens; Tibull. 
2, 5, 28; Hesych. xrjha .... Isqcc dyd^ara. 
Abbildungen von Priaposfiguren: MB. 8, 18. 
10, 16. 
6 ) Julian, frg. epist. p. 878, 20 H. 
7 ) Lykurgus und seine Söhne: Ps. Plut. 
vit. X or. p. 848 e. 
8 ) Paus. 6, 18, 7.
	        
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