Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

360 
Klassische Kunstarchäologie. I. Denkmälerkunde. 
von Cypern in einer langen Mauer, welche im Viereck einen Steinkegel, 
der die Gottheit vorstellt, und den Altar umschliesst; *) ähnlich, aber kom 
plizierter sind die Anlagen der Inselgruppe von Malta (besonders Gigan- 
teja auf Gozzo). * 2 ) Eigene palastartige Tempel sind den Göttern von Köni 
gen als ihren himmlischen Beschützern geweiht oder anfangs von den 
siegreichen Aristokraten aus den Palästen der gestürzten Könige herge 
stellt worden; letzteres geschah auf den Burgen von Tiryns und Athen. 
Auf diese Weise ist man zu den Tempeln gekommen. Die Bedingungen 
waren sehr verschieden. Kur dies eine hatten alle gemeinsam, dass sie 
keine Kultusstätten, sondern Wohnungen (vccol) der Gottheit waren. Dies 
erforderte vor allem einen Wohnraum, in welchem das Götterbild stand 
{vaog im engeren Sinne, cella, vom strengreligiösen Standpunkt ccdvzov). 
Wenn mehrere Götter unter einem Dache verehrt wurden, hatte ordnungs- 
mässig jeder seine eigene Cella (z. B. die drei Gottheiten des Kapitols). 
Für das Publikum war eigentlich nur eine Art Vorzimmer von geringemUm- 
fange bestimmt (ngovccoq oder rcgovaiov). 3 ) Da die Weihgeschenke nicht alle 
unter freiem Himmel oder im Wohnraume Platz fanden, wurde manchmal 
ein Vorratsraum angebaut, der von seiner Lage oma&odoiioq hiess. Diese 
kurzen Sätze charakterisieren nur die einfachste Form; 4 ) in der Mehrzahl 
der Fälle dagegen setzt sich der Tempel aus verschiedenen Bauten zu 
sammen, welche durch das gemeinsame Band der sichtbaren Grenze des 
heiligen Raumes zu einer Einheit verbunden werden. Zunächst bedarf der 
letztere eines Altars; denn wenn es auch später vorkommt, dass in einer 
Nische des Tempels selbst ein Altar angebracht ist, 5 ) so ist dies eben 
eine seltene Ausnahme, welcher die Neuerung entspricht, dass in kapellen 
artige Seitennischen Götterbilder gestellt werden. Regelrecht dagegen 
steht der Altar vor dem Tempel im Freien; denn jener ist von letzte 
rem unabhängig, weshalb er eine gesonderte Besprechung erfordert. Die 
Opfermahlzeit fordert entsprechende Anlagen (culina in lateinischen In 
schriften.). 6 ) Dann brauchen reiche Tempel eigene Schatzhäuser 
(&r)auv()OL), welche ihrerseits die Form kleiner Tempel hatten. Über diese 
seit dem 7. Jahrhundert v. Chr. nachweisbaren Bauten ist man jetzt durch 
eine Reihe von olympischen Schatzhäusern genügend unterrichtet; 7 ) das 
der Megarer und das in Delphi kürzlich gefundene athenische trugen so 
gar bildlichen Schmuck. Wenn das Heiligtum zu einer Felswand in Be 
ziehung steht, werden in diese Löcher (Votivnischen) für die kleinen Gaben 
eingetrieben. 8 ) Ausserdem sind die Amtslokale und Wohnungen der 
Priester und der vielen Tempelleute 9 ) in Betracht zu ziehen. Für das 
x ) Diese Einrichtung ist nfByblos noch 
später neben dem Tempelgebäude belassen 
worden (nach Münzen: Donaldson, archaeol. 
numism. 80). Den Text dazu liefert, richtig 
verstanden, Eumelos Fr. 11 ota&pwv ex 
taS-Ewv xal xiovog vifjrjhoto. 
2 ) Gailhabaud I Abth. 2; Perrot 111 294. 
3 ) Inschriften von Palmyra bei Sterret, 
Wolfe expedition 869 u. 687. 
4 ) Die bescheideneren Tempel von der 
der Art des Musenheiligtums am Helikon 
verdienten näheres Studium als ihnen bisher 
zu Teil ward; sie machten ja doch die 
grösste Zahl aus, 
5 ) Tempel der &eä ßaai'kEta auf Thera: A. 
1864 S. 257 T. R2. Vgl. auch CILat. XIV 2798. 
6 ) Z. B. CILat. XIV 8543. Mayeigeiov 
und avdxhatg Jhst. 12, 232. 233. 
7 ) Franz Richter, de thesauris Olym- 
piae effossis, Berlin 1885; Schatzhaus des 
Kypselos in Delphi: Herod. 1,14; wahrschein 
lich auch in Delos. 
8 ) Z. B. bei Daphni: Atlas von Athen T. 8. 
9 ) J EQyaar7]Qia Sterret, Wolfe expedi
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.