Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

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Klassische Kunstarchäologie. I. Denkmälerkunde. 
abgestumpft. 1 ) Häufiger finden Eckfiguren in Relief (wie vier Sphinxe in 
Xanthos) oder rund gearbeitet dort ihren Platz. 
2*70. Was im Altertum den Monumentalbau von dem Nutzbau unter 
scheidet, ist die Verwertung der Säulen. Wie die meisten Zierate, 
knüpft sie an ein wirkliches Bedürfnis an. Im Süden sollen die Gebäude 
von der niedrigen Wintersonne behaglich durchwärmt werden, während 
der höher steigenden Sonne des Sommers der Zutritt nicht frei stehen 
darf. Dies erreicht der Baumeister durch ein Vordach vor der licht 
spendenden Thüre, welches natürlich die Stütze von mindestens zwei 
Pfeilern (naqaaxadeg) braucht. Dies ist die homerische TCQodofAog, welche 
von dem erwähnten Verhältnis zur Sonne auch den Namen ai&ovau führt. 2 3 ) 
Diese Einrichtung scheint an den Häusern mancher griechischer Städte 
unter dem Namen nQoaryov fortbestanden zu haben. Bei Gotteshäusern 
kommt noch dazu, dass Beter und Weihgeschenke, die im Innern keinen 
Platz finden, vor Sonne und Regen Schutz haben sollen. Die einfachste 
Form dieser Vorbauten, aus hölzernem Dach und Pfeilern bestehend, ist 
in Griechenland noch auf dem Lande weit verbreitet. Verstärkt man die 
Stützen, so kann man dabei auch Wohnräume gewinnen, indem die Front 
des oberen Stockwerkes ganz oder zum Teil auf dieser Grundlage vor 
springt. Hier kehrt der alte Name etwas umgebildet wieder, denn dieser 
im Orient noch sehr häufige Vorbau heisst rjfauxov oder Solarium (auch 
Maenianum). 4 ) 
Auf diesen bescheidenen Grundlagen entwickelt sich die prächtige 
Säulenfa^ade. Die Ausdrücke, welche Vitruv mitteilt, gelten im allge 
meinen, bedürfen aber einer gewissen Revision. Dem einfachen Vordach 
entspricht die der Thüre vorgelagerte offene Säulenhalle, von welcher das 
Gebäude rtQoatvXog heisst; mit Rücksicht auf die übliche Säulenzahl 
spricht man von tetrastylen oder hexastylen Tempeln. 5 ) Grosse Gebäude, 
welche an Plätzen oder zwischen zwei Strassen liegen, haben zwei Fronten 
und folglich zwei Vorhallen (amphiprostylos), wie der Niketempel, der 
vom Markte, aber auch von dem Festplatze des Parthenons aus zu be 
trachten ist. 0 ) Steht aber das Gebäude (wie viele Tempel) an einem von 
allen Seiten freien Platze, so folgt, dass ihm auch an allen vier Seiten 
ein Säulengang vorgelegt werde (Peripteros), 7 ) wie z. B. in Selinunt. Als 
ein Staat den anderen an Ausdehnung der Tempel überbieten will, da 
findet sich ein Ausweg, indem nicht das Gebäude, sondern die Vorhalle 
verbreitert wird; hiezu bedarf es der Einschiebung einer zweiten Säulen 
reihe vor der Thür. Bei einfacher Fa9ade hat doppelte Säulenstellung 
1 ) Z. B. in der Vorhalle des Pantheon. 
2 ) Schon in den Terremare Oheritaliens, 
mit 4 Pfeilern: A. 1871 T. U9. 
3 ) In Athen Plat. Prot. p. 314c; Ath. 
Mitt. III T. 3 Nr. 58; Tanagra: Dikaiarchos 
p. 257 M.; naardg gegen Süden Xen. mein. 
3, 8, 9; vgl. Apoll. Rh. 1, 798; vestibulum 
nach C. Aelius Gallus bei Gell. 16,5,3; massiv 
ausgeführt in Pompeji: Nissen, pompejan. 
Studien S. 456. 
4 ) Sittl, Archiv f. lat. Lexik. 5, 290 ff. 
5 ) Der Vorbau an sich heisst einfach 
(Troa, z. B. <rzod tiqo rov <xq/slov CIG. 3521, 
oder ttqogxmov (s. o.). 
6 ) Ebenso war das Haus des Kallias 
nach Plato (Prot. 315 c) beschaffen. 
7 ) 'J^uopixiovag vaovg Soph. Ant. 285; 
7iSQixiovag vaovg Eurip. Iph. Tarn*. 405, vgl. 
Eurip. fr. 370 N. Nach Semper ist dies das 
älteste Schema; unter der 18. Dynastie 
kommt es in der That schon vor.
	        
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