Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

Kap. VIII. Die Baukunst nach Material und Technik. (§§ 262—263.) 309 
sondert. 1 ) Der Schaft selbst erhält eine weniger steife Form durch Ver 
jüngung. 2 ) Den einfachen Pfeiler entwickeln schon die Ägypter nach zwei 
ganz verschiedenen Richtungen. Im neuen Reich, namentlich unter 
Ramses II., hat man häufig an die Pfeiler der Fa9ade Statuen des Königs 
oder eines Gottes angelehnt. 3 ) Diese Statuenpfeiler haben Seitenstücke bei 
den Griechen, welche jedoch Atlanten, Barbaren, Pane oder Mädchen be 
vorzugen; 4 ) als Zwischenstufen liegen vor ihnen die Reliefpfeiler und die 
nur mit Malerei geschmückten. 5 ) Schliesslich lässt man den Pfeiler weg und 
es bleibt die blosse Statue als Träger; ganze Hallen, wie die Giganten 
stoa in Athen, die untergegangene Perserhalle Spartas 6 ) und der berühmte 
Anbau des Erechtheions ruhen nur auf solchen menschlichen Trägern. Die 
neun Musen haben manchmal ähnliche Zwecke erfüllen müssen. 7 ) Ausser 
den schon genannten Besiegten treffen wir Hermen 8 ) und vor allem weib 
liche Gestalten, welche kein besonderes Attribut haben; nur halten sie 
den Druck nicht mit dem Kopfe aus, sondern einem Korbe, welcher später 
etwas variiert, z. B. zu einem korinthischen Kapitell umgestaltet wird. 9 ) 
Die Archäologen pflegen sie nach dem Vorgänge des Vitruv, 10 ) der den 
Namen durch eine Geschichtsfabel erklärt, Karyatiden zu nennen; ihr 
klassischer Name ist aber xoqai schlechtweg. 
263. Fruchtbarer war die andere Gattung, welche das bezeichnende 
hat, dass das Prinzip des reinen Vierecks aufgegeben ist. Angebahnt 
wird dies nicht eigentlich durch einfache Kannelierung (Riefelung), welche 
die Baumeister erst später (z. B. an der Vorhalle des Pantheon) von den 
Säulen entlehnt haben. Schrägt man dagegen die Kanten ab, so entstan 
den zuerst achteckige Pfeiler, dann zwölf- und sechszehneckige. Alle drei 
Arten erscheinen an den Bauten des mittleren ägyptischen Reiches, am 
häufigsten die erste und einfachste; 11 ) dabei kommt bereits die Belebung 
der ebenen Fläche durch vertikale Rinnen (Kannelüren) vor. Den Über 
gang zum Dache vermittelt eine quadratische Platte, während auf dem 
Boden statt einer solchen, damit der Fuss nicht an den Ecken sich stosse, 
ein runder Ring auf liegt. Diese polygonen Pfeiler, welche hin und 
wieder bei den Griechen auftauchen, 12 ) galten früher für die Vorstufe der 
dorischen Säule, weshalb Champollion den schon sprachlich fehlerhaften 
Ausdruck protodorisch einführte; allein ein unmittelbarer Zusammenhang ist 
1 ) Vgl. den Tempel von Phigaleia, die 
Propyläen von Priene und den milesischen 
Apollotempel. 
2 ) Ausser den eben angeführten Bei 
spielen vgl. z. B. die Propyläen von Baal 
bek. 
3 ) Z. B. in Abu-Simbel und Medinet- 
Habu; noch unter Psammetich Herod. 2,158. 
Halbe Atlanten ; Champollion, lettresp. 885. 
4 ) "ÄTlctvTsq Moschion bei Athen. 5, 
208b; telamones Vitr. 6, 10(7), 6; Amazone 
aus Thyrea, und Pan (Nr. 251) in Athen; 
Incantada von Saloniki (Durm , Bauk. I 2 
Pig. 182). 
5 ) Ersteres in der Tomba de’ rilievi zu 
Caere: Dennis, Etr. I 3 251; letzteres z. B. 
in einem Grabe von Tarquinii M. II 8. 4, 
vgl. A. 1834 p. 153 ff. 
6 ) Vitruv. 1, 1, 6. 
7 j In Mantua Clarac 506 B 1054 B, 
zwei in Venedig, eine in Petersburg, vgl. 
Benndorf, Arch. Ztg. 24, 230 ff 
8 ) In Athen: Nr. 442 Sybel; — Atlan 
ten in Dhimitzäna und im Innern des Zeus 
tempels von Akragas. 
9 ) Allerdings an Pfeilerstatuen (Ama 
zone und Incantada); korb artiger Kopfschmuck 
AZ. 1880 S. 28; 1881 S. 13. 
10 J I 1, 5; danach ist die Inschrift von 
Avellino, MB. 10, 59 gefälscht. 
]1 ) Lepsius, A. 9, 69 ff M. 2, 45, 2 a. 
12 ) Heiligtum der Artemis Limnatis (Ross, 
Reisen im Pelop. S. 7); Troizen (Gell, itin. 
S. 121); Bolimnos (Volimes auf Zante?).
	        
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