Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

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Klassische Kunstarchäologie. I. Denkmälerkunde. 
Töpfer an Phantasie weit überboten. 1 ) In der Kaiserzeit erneuert sich 
jene Mode, wie die Namen ciborium (Blatt der colocasia), sinus, galeola, 
trulla, modioluSj caper, concha, 2 ) murex u. a. beweisen, und pflanzt sich 
bis über die Völkerwanderung hinaus fort. 3 4 5 ) 
Litteratur: G. Treu, griechische Thongefässe in Statuetten- und Büstenform, 
Berlin 1875, mit 2 T. 
235. Nicht zu den Phantasieformen sind gewisse Formen der Toten 
urnen zu rechnen, auf welche die Vorstellungen vom Jenseits Einfluss ge 
übt haben. Die Ägypter bewahren die Eingeweide von Mumien in Töpfen 
auf, deren Deckel plastisch den Kopf eines der vier Schutzdämonen 
der Toten darstellte (Mensch, Schakal, Affe und Vogel). Diese Gattung 
heisst C an open. 4 ) Von Ägypten aus verbreitete sich die Sitte in der 
Psammetichidenzeit nach Europa, besonders nach Etrurien, 5 ) doch wurde 
dort augenscheinlich der Sinn vergessen, da man an den Leib des Gefässes 
Arme oder doch Armstümpfe fügte. 
Von den Canopen sind die Gesichtsurnen (urnes ä visage) wohl zu 
unterscheiden, denn hier gilt nicht der Deckel, sondern der Leib des Ge 
fässes für den Kopf oder den gesammten Körper, wogegen der Deckel den 
Hut vorstellt. 6 ) Da die Gesichtsurnen stets mit der Totenbestattung Zu 
sammenhängen mögen und eine den viereckigen Kinnbart des Osiris 
zeigt, 7 ) dürfte auch diese Gattung den religiösen Urnen beizuzählen sein, 
zumal oft die Beigabe der Genitalien das Geschlecht des Toten anzudeu 
ten scheint. Durch die Funde von Hissarlyk 8 ) ist ihr hohes Alter gesichert, 
doch lässt sich ihr Ursprung bisher nicht bestimmen, denn die Grenzen 
der Fundorte erweitern sich fort und fort erheblich. Cypern, 9 ) Italien, 10 ) 
Deutschland, Polen, Irland 11 ) lieferten bereits Exemplare, doch hat noch 
immer Nordostdeutschland 12 ) mit dem Centrum Pomereilen 13 ) einen erheb 
lichen Vorsprung. Ägypten selbst besass solche Gefässe mit einem Gesicht 
am Bauch. 14 ) Die Etrusker endlich verfielen auf eine Verbindung des 
Canopus mit den Gesichtsurnen, indem sie das Gesicht nicht einritzten, 
sondern plastisch an Stelle des Halses bildeten. 15 ) 
Aigina: Stackelberg, Gräber T. 28, besser 
abgeb. Jhst. 18, 135. 
*) Grosse Auswahl bei Biardot, terres- 
cuites T. 40 ff. 
2 ) Salzfass Hör. s. 1, 3, 15; Salbgefäss 
Hör. c. 2, 7, 23 (murex Martial. 3, 82); 
Waschbecken der Prinzessin Serena (Clau- 
dian. epigr. 5, s. dazu Gesner S. 675); vgl. 
Juv. 6, 419; Dosith. p. 90; Schol. Juv. 3, 277; 
vascaudes] concas aereas Corpus gloss. IV 
p. 294, 44; abgeb. Marbles in the Brit. Mus. 
10, 54; vgl. Fiorillo, kleine Schriften artist. 
Inhalts 1, 143; Böttiger, aldobrand. Hoch 
zeit S. 53. — Vorderteil eines Rehes, auf 
Kaisermünze v. Thessalonike aus der Kaiser 
zeit, abgeb. British Mus., Macedonia p. 113. 
3 ) Z. B. im Schatz von Szent-Miklos 
Goldgefäss in Form eines gehörnten Tieres 
(abgeb. Bücher, techn. Künste 2, 173). 
4 ) Z. B. aus Alabaster Perrot hist. 1, 
196; viele in der Descr. de PEgypte 5, 81 ff. 
5 ) Micali, mon. T. 14—16. 27. 33; be 
sonders in Chiusi und Sarteano. 
6 ) Beispiel bei Rayet, hist. S. 2. 
7 ) Ztsch. f. Ethnol. II T. 8, 1. 
8 ) Schliemann, Atlas T. 9, 298. 54,1275. 
75, 1628. 191, 3483. 
9 ) Verh. der Berl. Ges. 1871 S. 1 mit 
Abb. 
10 ) Undset, Ztsch. f. Ethnol. 22, 109 ff. 
n ) In Dublin: Wilde, catal. p. 156 m. 
Abb. 
12 ) Z. B. in Posen: Virchow, Verh. der 
Berl. Ges. 1877 S. 451 ff. m. T. 20. 
13 ) Mannhardt, Ztsch. f. Ethn. 2, 244 ff. 
m. T. 8 (Nr. 3 mit unentzifferter Inschrift) ; 
Berendt, die pomerell. Gesichtsurnen, Schrif 
ten der k. physikalisch-ökon. Ges. v. Königs 
berg 1872. 
14 ) In Leiden und Berlin: Verh. d. Berl. 
Ges. 1871 S. 45. 
15 ) Micali, mon. T. 27, 6; Falbe, Mem. 
de la soc. des ant. du Nord T. 7, 4 (beide 
aus Chiusi).
	        
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