Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

Kap. VII. Die kunstgewerbl. Arbeiten nach Form u. Verzierung. (§ 222—224.) 235 
anderhält. Diese geschmackvolle Anordnung lässt sich schon unter den 
Ramessiden beobachten. 1 ) 
Da die Ornamente auf geometrischer Grundlage erwachsen sind, unter 
liegt auch ihre Komposition geometrischen Gesetzen. An manchen Orten 
heben sie in Randleisten, Friesen und Borden die Grenzen hervor; 
meistens aber erfüllen sie den eingeschlossenen Raum. Hier lassen sich 
drei Prinzipien erkennen: Es wird ein Feld umrahmt und durch Figuren 
schmuck hervorgehoben (wie an vielen Vasen) 2 ) oder die ganze Fläche 
wird in Felder zerlegt. Dies führt die Webe- und Stickkunst in den 
Teppichen am konsequentesten durch; ebenso reihen wir hier die Beispiele 
des S. 227 erwähnten geometrischen Stiles ein, wobei auch neben Figuren 
der Grundcharakter durch mehrfache Parallellinien betont wird. Endlich 
lässt sich der Grundsatz erkennen, den ganzen Raum so vollständig als 
möglich auszufüllen und keinen Fleck leer zu lassen. Diesem Geschmacke 
scheinen die Babylonier seit alten Zeiten gehuldigt zu haben; am meisten 
findet man ihn in der zweiten orientalischen Periode verbreitet, bei welcher 
er auch weiter zu erörtern ist; damals mussten sogar Tiere, und zwar 
nicht bloss fliegende Vögel, sondern z. B. Schlangen zur Füllung des 
Raumes herhalten. Wenn ein rundes Feld geringen Umfangs mit dem 
Bilde eines lebenden Wesens ausgefüllt werden sollte, bevorzugten die 
Zeichner seit uralter Zeit besondere geeignete Stellungen, z. B. ein Thier, 
das umblickt oder das um ein Geschoss sich windet, 3 ) laufende oder flie 
gende, knieende oder sich beugende Gestalten. 4 ) 
223. Wenn wir nun auf die Formen selbst eingehen, so kann hier 
keine historische Entwicklung der einzelnen gegeben werden; dazu ist die 
Erforschung noch zu sehr im Rückstände. Aber die Grundzüge festzu 
stellen und dadurch jene zu lenken, wollen wir doch anstreben. 
Da die Form, wenn auch durch den Stoff, immerhin zunächst durch 
die Anforderungen des Gebrauches bedingt wird, muss hier auch von 
diesem ausgegangen werden. Wie der Mensch sich trägt und häuslich 
einrichtet, das umschliesst alles, was die Industrie für den Massenabsatz 
herstellt. 
224. Weil das Leben, zum Glücke für die Kunst, nicht den Geboten 
der reinen Vernunft folgt, gehört die kunstmässige Behandlung des nackten 
Körpers geschichtlich vor die entwickelte Kleidung. Einfache Färbung 
(teils weiss, teils rot) erscheint bei den Äthiopen, 5 ) muss jedoch früher 
viel verbreiteter gewesen sein, da in der Krim rotgefärbte Skelette ge 
funden wurden, ebenso wie die rotgefärbten Schädel von Anagni und Brünn 6 ) 
ein Seitenstück zu dem rotangestrichenen Gesichte des kapitolinischen 
Jupiter sind. 7 ) Die plastische Umformung des Kopfes ist nun eben- 
*) Ägyptische Panzer: Rosellini IIT. 121, 
17; Wilkinson, manners I p. 221, 53a. 
2 ) Über die ältesten Beispiele s. Conze, 
Sitznngsber. d. Wiener Akad. 64, 518; Schnei 
der, Jakrb. 4,197 f.; Ath. Mitt. 6, 3. 
3 ) Schon oft auf Inselsteinen; vgl. im 
allgemeinen Milchhöfer, Anfänge S. 177. 
4 ) Röm. Mitt. 3, 61 ff. 
5 ) Herod. 7,69; Plin. 33, 112. 
6 ) Anthrop. Korresp. 1892, 38; im dilu 
vialen Löss bei Predmost (Mähren) kamen 
rote Mammutknochen vor. 
7 ) Plin. a. 0.; vgl. Plut. quaest. Rom. 98. 
Athena Skiras wurde weiss gefärbt (Schol. 
Ar. Vesp. 961).
	        
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