Das Eisenbahnnetz vom Standpunkte der Landesverteidigung. 3
Je mehr sich im Laufe der Jahre der Schwerpunkt des Aufmarsches
gegen Frankreich nach Norden an den Niederrhein verschob, um so mehr
lag im W e st e n das Hauptgewicht des späteren strategischen Ausbaues
neben der weiteren Vermehrung der Rhein-Ubergänge vor allem in der
leistungsfähigen Ausgestaltung des Vahnnetzes im linksrheinischen Bezirk
der Cisenbahndirektion Köln. Zier mußten die für Versammlung eines
starken rechten Heeresflügels unentbehrlichen Zufuhr- und Auslauflinien
neu geschaffen werden. Im Oste n galt der für die Landesverteidigung
unternommene Ausbau vornehmlich der Vermehrung der Weichsel-Brücken
und der Erhöhung der Leistungsfähigkeit des ostpreußischen Netzes, das
zum überwiegenden Teile aus eingleisigen, militärisch unzulänglichen
Nebenbahnen bestand. Daneben wurde unter dem Druck politischer
Spannung auch der Ausbau der schleswig-holsteinischen Bahnen
gefördert und durch deren weitere Ausgestaltung die Schaffung dreier
leistungsfähiger Linien zur Nordgrenze erreicht.
Die Entwicklung der politischen Lage und die hieraus sich ergebende
Wahrscheinlichkeit der Führung eines Zweifrontenkrieges steigerte
die Bedeutung der heimatlichen Eisenbahnen für einen schnellen Aufmarsch
und für die spätere Leitung der Operationen. Rasche Versammlung und
erhöhte Beweglichkeit mußten die zahlenmäßige Unterlegenheit der deutschen
Streitkräfte ausgleichen; schnelle und umfangreiche Truppenverschiebungen
längs der Grenzen und zwischen den voraussichtlichen Kriegsschauplätzen
waren sicherzustellen. Dies bedingte leistungsfähige Transportstraßen nach
allen für die Kriegführung in Frage kommenden Grenzgebieten und gute
Verbindungen quer durch das Reich. Der militärische Ausbau der letzten
Jahrzehnte suchte diesen Forderungen Rechnung zu tragen.
Die in den Jahren unmittelbar vor Kriegsausbruch sich mehr und
mehr verschärfende politische Lage sowie die großen Anstrengungen
Frankreichs und vor allem Rußlands, ihr Vahnnetz für strategische
Zwecke zu verbessern, veranlaßten die Heeresverwaltung, auf Anregung
des letzten Chefs der Eisenbahnabteilung, Oberstleutnants Groener, einen
umfassenden, einheitlichen Plan zur Förderung des Aus¬
baues der deutschen Bahnen aufzustellen. Unter finanzieller Beteiligung
des Reiches sollten in den Grenzgebieten und im Innern die Zahl der selb¬
ständigen Transportstraßen vermehrt, die Leistungsfähigkeit des gesamten
Netzes gesteigert und betriebliche Schwierigkeiten in der Führung einzelner
Linien beseitigt werden. Im besonderen wurde angestrebt, jedem nach dem
Westen bestimmten Armeekorps mit seinen Reservetruppen, soweit es nicht
nahe der Grenze stand, eine zweigleisige Aufmarschlinie zur Verfügung zu
stellen. Im Osten sollte eine dritte Transportstraße in das Land östlich
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