Volltext: Die Kriegsführung im Frühjahr 1917 (12. 1939)

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Der Krieg im Osten. 
End« Mai. Am 31. Mai beurteilte der Oberbefehlshaber Ost die Lage dahin: „Die 
russische Feuertätigkeit ist auch an Frontteilen, wo seit Ostern nahezu völlige 
Waffenruhe bestand, aufgelebt... Auch die Tätigkeit der russischen Infan¬ 
terie ist durchweg lebhafter geworden; es blieb aber, abgesehen von zweck¬ 
losem Infanterie- und Maschinengewehrfeuer, bei kleinen und erfolglosen 
Patrouillenunternehmungen. Die bisher genannten Angriffstage (28. Mai 
bei Riga und 29. Mai im Abschnitt Lipa)^ haben, wie zu erwarten, einen 
Angriff nicht gebracht. Auch der vor der Südarmee genannte Angriffstermin, 
7. Juni, ist unwahrscheinlich. Glaubhafter klingt eine Nachricht aus guter 
Quelle, daß der Angriff auf Ende Juni—Ansang Juli verlegt worden ist. 
Das würde im Einklang stehen mit den Eindrücken der Front, wonach die 
russische Infanterie im allgemeinen noch nicht als angriffsfähig angesehen 
wird. Vielleicht erhoffen die Russen von der Frontreise Kerenskis einen 
Umschwung. Als wahrscheinliche Angriffsräume kommen jetzt folgende 
Abschnitte in Betracht: Südarmee, Abschnitt Zloezow, Vrody, westlich Luck, 
Smorgon, Riga. Dort mehren sich die Beobachtungen, die als Angriffs- 
Vorbereitungen angesprochen werden können. Dort sind auch die allgemein 
gesteigerte russische Fliegertätigkeit und das Flakfeuer besonders stark." 
Auch General Ludendorff rechnete jetzt wieder mit der Möglichkeit 
größerer russischer Offensivunternehmungen und hatte der österreichisch-unga- 
rischen Heeresleitung gegenüber daher schon am 27. Mai Bedenken gegen 
weitere Schwächung der Ostfront geltend gemacht. 
A»fa«g Juni. Anfang Juni berichtete die Abteilung Fremde Heere der Obersten 
Heeresleitung über die Wirkung der Frontpropaganda: 
„Die Gegenwirkung gegen unsere Propaganda ist stärker geworden, sie be- 
weist die Nützlichkeit unserer Bestrebungen und zeigt, wie unangenehm sie 
den russischen Führern sind. Die Gegenpropaganda hat zwar das Mi߬ 
trauen der russischen Soldaten gegen uns neu belebt, sie hat aber auch eine 
große Verwirrung in den Köpfen der Soldaten hervorgebracht und das Ver¬ 
hältnis zwischen Offizieren und Mannschaften verschlechtert. Gelingt es 
unserer Propaganda, die Friedenssehnsucht im russischen Soldaten wachzu¬ 
halten und sein Vertrauen zu erringen, so wird sie trotz der starken Gegen¬ 
wirkung in der Lage sein, den Zustand stillschweigend vereinbarter Waffen¬ 
ruhe aufrechtzuerhalten bzw. herbeizuführen." 
Als am 3. Juni die vorbereitete F u n k p r o p a g a n d a an der ge¬ 
samten Ostfront aufgenommen wurde, antwortete der russische Arbeiter- und 
Soldatenrat mit einem Aufruf an das Heer, in dem ein „Sonderfriede mit 
dem Kaiser ... mit Entrüstung abgelehnt" wurde. 
') Agentennachrichten und Gefangenenaussagen.
	        
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