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Die Doppelschlacht an der Aisne und in der Champagne.
Chef diese Lehren und ihre sinnvolle Anwendung entsprechend dem Gelände
und der jeweiligen Lage zum Gemeingut aller an ihrer Front eingesetzten
Verbände zu machen. Dabei hatte die Übernahme des bisher ruhigen und
im Ausbau zurückgebliebenen Abschnittes der 7. Armee in den letzten sechs
Wochen vor dem Angriff die Arbeit noch besonders vermehrt. Aber gerade hier
fand sie durch die Neubesetzung des Oberkommandos mit dem tatkräftigen
General von Voehn und dem rastlos tätigen, gedankenreichen Oberstleutnant
Reinhardt als Generalstabschef auch besonders wirksame Unterstützung.
Der französische Gewaltstoß traf eine in jeder Hinsicht und in allen
ihren Gliedern aufs beste vorbereitete, zuversichtliche deutsche Führung und
Truppe. Die Hoffnung des Generals Nivelle, mit einem einzigen Angriffs-
schlage im Laufe von höchstens 48 Stunden die deutsche Front zu zerreißen
und damit zum Durchbruch und zu entscheidendem Siege zu kommen, zerrann
angesichts der Kraft der deutschen Verteidigung. Am 18. April stand für die
französische Führung unweigerlich fest, daß ihre Offensive, soweit sie den
operativen Durchbruch und weit gesteckte Ziele erreichen sollte, völlig ge¬
scheitert war, und daß nur noch Angriffe mit beschränktem Ziel in Frage
kämen. Sie haben zu einer langen Reihe weiterer schwerer Kämpfe geführt,
die sich — wenn man von den durch das Gelände bedingten Abweichungen
absieht — für die deutsche Seite taktisch unter ähnlichen Bedingungen voll¬
zogen und zu ähnlichen Erfahrungen führten wie die Kämpfe bei Arras nach
dem ersten Einbruch.
Der Erfolg der deutschen Abwehr wird vor allem der offensiven Tätigkeit
der Artillerie vor Beginn des Angriffs zugeschrieben. Es war ein
„unbestreitbares persönliches Verdienst" des Grafen Schulenburg, daß er als
Grundsatz aufstellte: „Die feindliche Artillerievorbereitung ist nicht nur
kräftig zu erwidern, sondern schon vorher sind so früh wie möglich alle er-
kannten feindlichen Angriffsvorbereitungen mit zusammengefaßter Artillerie-
wirkung zu zerschlagen"'). Diese Feuertätigkeit hat den Gegner empfindlich
gestört; eindeutige Beweise für Erfolge gegen die feindliche Artillerie fehlen
allerdings^). Wenn auch die eine oder andere deutsche Batterie gelegentlich
kräftig zugedeckt wurde, so gewährte doch die Artillerie in ihrer Gesamtheit der
eigenen Infanterie eine mit dankbarer Genugtuung empfundene Entlastung
1) Kronprinz Wilhelm: „Meine Erinnerungen aus Deutschlands Heldenkamps",
S. 269.
2) Bekannt ist nur, daß bei dem östlich von Vailly angreifenden französischen
VI. Korps während des zehntägigen Vorbereitungsfeuers mehr als ein Viertel seiner
ISS nun-Haubitzen beschädigt worden sei. Das amtl. franz. Werk schreibt über den
16. April: Die deutsche Artillerie schien zu zwei Dritteln stark gelitten zu haben, und
ihre Gegenwirkung ließ in der Nacht vom 1S./16. April fühlbar nach.