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Neue Lage für die Westmächte.
Herbstes. Erklärung bei dem geringsten Zwischenfall auch für die Staaten ernsteste
Folgen entstehen konnten, versuchte er, die erwachsenden Spannungen zu
mildern, indem er am 20.Februar England wie Deutschland vorschlug, den
Gebrauch von Minen und Unterseebooten sowie den Mißbrauch neutraler
Flaggen einzuschränken und die Lebensmittelzufuhr nach Deutschland unter
amerikanischer Aufsicht zuzulassen. Dieser Vorschlag scheiterte — wie vor-
auszusehen war — an der Weigerung Englands').
Nachdem bereits die Versenkung der „Falaba" am 28. März, bei der
ein Amerikaner ertrank, sowie zwei weitere Zwischenfälle, bei denen eben-
falls Amerikaner ums Leben kamen, erhebliche Erregung und Debatten
darüber hervorgerufen hatten, ob „volle Verantwortlichkeit" hier gegeben
wäre, führte am 7. Mai die Versenkung der „L u s i t a n i a" mit einem Ver-
lust von 124 Amerikanern zu folgenschwerer Krise"). Am 13. Mai wurde die
erste Lusitania-Note abgesandt. Sie stritt die Rechtmäßigkeit des Untersee-
krieges grundsätzlich ab und verlangte Garantien dafür, daß solche Vorfälle
sich nicht mehr ereignen könnten, ferner Eingeständnis der Ungesetzmäßigkeit
des Handelns, Übernahme der vollen Verantwortung und Schadenersatz. Als
daraufhin am 29. Mai Deutschland sein Bedauern aussprach und Schaden-
ersatz anbot, die übrigen amerikanischen Forderungen aber ablehnte, kam es
zu so ernsten Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Präsidenten und dem
zum Einlenken geneigten Staatssekretär Vryan, daß dieser zurücktrat. Nach-
folger wurde L a n s i n g , der den Standpunkt verfocht, daß die Vereinigten
Staaten je eher desto besser an der Seite der Entente in den Krieg eintreten
sollten. So weit ging Präsident Wilson allerdings nicht, denn die aktive
Teilnahme am Kriege wünschte er feinem Lande nach wie vor zu ersparen.
Cr lehnte es ab, den Lusitania-Fall als Kriegsgrund anzusehen, wies aber
ebenso bestimmt alle Vorschläge zurück, die die Reisen von Amerikanern auf
Schiffen der kriegführenden Mächte fowie die Verschiffung von Waffen und
Munition auf Passagierschiffen verhindern wollten. In der am 9. Juni ab-
gesandten zweiten Lusitania-Note bestand er auf seinen Forderungen. Als
dann Deutschland am 8. Juli Sicherheit für besonders gekennzeichnete
Passagierschiffe anbot, wenn Gewißheit gegeben würde, daß sie keine Konter¬
bande führten, gestand der Präsident zu, daß Unterseeboote nach den Regeln
des Kreuzerkrieges Handelskrieg führen dürften. Das aber war eine Ve-
stimmung, die die wirksamste Verwendung der neuen Waffe ausdrücklich
ausschloß.
Am 19. August kamen bei Versenkung der „Arabie" abermals Ameri¬
kaner ums Leben. Da die Versenkung den gegebenen Befehlen nicht ent¬
Vd. VIII, S. 17.
2) Ebenda.