Volltext: Die Kriegsführung im Herbst 1916 und im Winter 1916/17 : vom Wechsel in der Obersten Heeresleitung bis zum Entschluß zum Rückzug in die Siegfried-Stellung (11. 1938)

Das „Hindenburg-Programm": Hilfsdienstgesetz. 
29 
und unzweideutig klargemacht wird". Es müsse unverzüglich gehandelt 
werden; denn es sei sicher damit zu rechnen, „daß spätestens die ersten 
Monate des kommenden Jahres einen Kampf bringen werden, der über 
Sein und Nichtsein des deutschen Volkes entscheiden wird. Wir werden 
nur dann nicht unterliegen, wenn wir alle — aber auch alle — Kräfte 
anspannen". 
Über die sittliche Berechtigung und militärische Notwendigkeit der von 
der Obersten Heeresleitung in der höchsten Not des Vaterlandes erhobenen 
Forderung konnte kein Zweifel sein; hatte man sich doch bereits genötigt 
gesehen, die Heranziehung der im besetzten belgischen Gebiet brachliegenden 
Arbeitskräfte für die deutsche Rüstungsindustrie in die Wege zu leiten. 
Die Verwirklichung der Forderung hätte indessen tief einschneidende 
Änderungen der bisherigen Wirtschaftspolitik zur Voraussetzung gehabt; 
die Freiheit des Unternehmers hätte ebenso eingeschränkt werden müssen 
wie die des Arbeiters. Zu so weitgehenden Änderungen der Grundlagen, 
auf denen die gesamte Wirtschaft ruhte, wollte sich die Neichsregierung 
indessen mitten im Kriege und in denkbar schwerster wirtschaftlicher Lage 
nicht verstehen. Auf wiederholtes Drängen der Obersten Heeresleitung 
erklärte sie sich schließlich bereit, einen Gesetzentwurf einzubringen, der 
unter dem Namen „Vaterländischer Hilfsdienst" eine Art 
Arbeitspflicht für die männliche Bevölkerung bringen sollte. Dieser Entwurf 
wurde jedoch vom Reichstag, dessen einmütige Zustimmung die Oberste 
Heeresleitung zugleich als spontane Kundgebung des Volkswillens erhoffte, 
in langen, unerquicklichen Verhandlungen völlig verwässert. Statt eines 
Gesetzes „der Not, des eisernen Willens und der eisernen Tat", wie es 
Staatssekretär Dr. Helfferich in der Begründung genannt hatte, kam ein 
lahmes Kompromiß zustande, das durch weitgehende Nachgiebigkeit gegen- 
über Forderungen der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften gekenn- 
zeichnet war und von diesen auch als „Sieg" gefeiert wurde. 
Das am Z.Dezember 1916 erlassene Gesetz brachte für alle nicht der' Anfang 
Wehrmacht angehörenden Männer zwischen dem 17. und 60. Lebensjahr ®ejew6er* 
die Verpflichtung zur Arbeitsleistung in der Kriegswirtschaft, ohne daß 
dieser Begriff näher abgegrenzt oder nach der Dringlichkeit abgestuft wurde. 
Zur Kriegswirtschaft rechnete daher jede mit der Versorgung von Volk und 
Wehrmacht irgendwie zusammenhängende Tätigkeit. So blieb den Hilfs- 
dienstpflichtigen ein sehr weiter Spielraum, wo und wie sie ihrer Pflicht 
nachkommen wollten. Gegen den bisherigen Zustand war auch sonst zunächst 
nicht allzuviel geändert; denn nur als letztes Mittel sollten die im Gesetz 
vorgesehenen Zwangsmaßnahmen angewendet werden, um Hilfsdienst-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.