Volltext: Die Kriegsführung im Herbst 1916 und im Winter 1916/17 : vom Wechsel in der Obersten Heeresleitung bis zum Entschluß zum Rückzug in die Siegfried-Stellung (11. 1938)

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Die neue Oberste Heeresleitung. 
A. Oktober, satzes würde also in Zukunft kaum mehr eine Ausmusterung als dienst- 
untauglich ausgesprochen zu werden brauchen." 
Dieser Gedanke wurde von der Obersten Heeresleitung sofort 
aufgegriffen. Ihr erschien jetzt die Ausdehnung der Wehrpflicht vom 
15. bis zum 60. Lebensjahre als aussichtsreichste Lösung der 
Arbeiterfrage. Am 23.Oktober wandte sie sich mit einem neuen Schreiben 
an den Reichskanzler'), in dem sie ausführte, daß nach Ablehnung ihrer 
früheren Anträge die „Erweiterung der allgemeinen Wehrpflicht nach 
Brauchbarkeit und Dauer" der einzig noch übrigbleibende Weg sei, „um, 
neben dem Bedarf des Heeres an Erfatz, für die männliche Bevölkerung 
den steigenden Bedarf der Kriegswirtschaft an Arbeitern auf die Dauer zu 
decken". Dadurch würden zugleich auch die sonstigen Forderungen größten- 
teils erfüllt werden: vermehrte Heranziehung Kriegsbeschädigter sowie — für 
die Masse der männlichen Bevölkerung — Aufhebung des Freizügigkeits¬ 
rechts, durch die das für die kriegswirtschaftliche Erzeugung überaus störende 
häufige Wechseln der Arbeitsstellen unterbunden werden konnte. Auf Ein- 
führung weiblicher Dienstpflicht wollte auch die Oberste Heeresleitung als 
„verfehlte Maßnahme" nunmehr verzichten, hielt aber nach wie vor für 
dringend geboten, daß — notfalls durch Zwangsmaßnahmen — „alle 
unbeschäftigten und in nebensächlichen Berufen tätigen Frauen" kriegswirt- 
schaftlich nutzbringend verwandt würden, um „Männer für andere Arbeiten 
frei" zu machen. 
Durch die Erweitemng der Allgemeinen Wehrpflicht dachte die Oberste 
Heeresleitung die Handhabe zu schaffen, um alle noch irgendwie leistungs- 
fähigen Männer bis zum 6V. Lebensjahr entweder in der Wehrmacht oder 
in der Kriegswirtschaft verwenden zu können; neben das Kriegsheer follte 
gewissermaßen ein ebenfalls militärisch organisiertes Arbeitsheer treten, 
dessen Angehörige zu Dienstleistungen in der Kriegswirtschaft ebenso 
kommandiert werden konnten wie Soldaten zum Militärdienst. Besonderes 
Gewicht legte sie darauf, daß die erforderlichen Maßnahmen unter voller 
verantwortlicher Mitwirkung des Reichstages durch Erlaß eines Gesetzes 
getroffen würden, um dadurch zugleich die Bereitschaft des Volkes zur An- 
fpannung aller Kräfte durch den Mund seiner Vertreter zum Ausdruck zu 
bringen. Der Generalfeldmarschall war der Meinung, „daß von den gesetz- 
gebenden Körperschaften alles zu erreichen ist, wenn sie auf den ganzen Ernst 
der Lage und auf die Notwendigkeit des völligen Aufgehens des gesamten 
Volkes in die Aufgaben, die der Krieg uns stellt, mit allem Nachdruck hin- 
gewiesen werden und ihnen ihre Mitverantwortlichkeit in vollem Amfange 
') Voller Wortlaut abgedruckt bei Ludendorff: „Urkunden", S. 78 ff.
	        
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