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O. H. L.: Entwicklung der Gesamtlage.
vorausschauend bereits seit Oktober mit den ersten Vorbereitungen für die
Räumung des in solchem Falle dem Gegner zu überlastenden Gebietes
begonnen. Die Siegsried-Stellung war gegen Ende Januar so weit ge-
fördert, daß die erste Linie mit vielfach starken Hindernisten und guten
Unterständen im großen ganzen als verteidigungsfähig galt.
Die von der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht am
24. Januar. 24. Januar eingereichte Beurteilung der Lage sagte, wie schon frühere, daß
mit „Teilangriffen, auch solchen größeren Stils" gerechnet werden mttste,
und wies zum Schluß darauf hin, daß die Härten der Witterung und der
Bodenverhältniste, namentlich in den Trichterfeldern an der Somme, eine
erhebliche Erschöpfung der in der Front stehenden Truppen mit sich brächten»
In den folgenden Tagen meldete die Nachrichten-Abteilung, daß
im Frühjahr die Engländer 1200, die Franzosen 800 Tanks bereit haben
würden. Am 22. Januar sollten die ersten 10 000 Portugiesen nach Frank-
reich eingeschifft worden sein, 20 000 weitere sollten folgen; ihr Kampfwert
wurde allerdings gering eingeschätzt. An der Somme zogen die Franzosen
— wie festgestellt war — Kräfte heraus, verstärkten sich aber anscheinend
erheblich im Räume um Velfort. Mit der Möglichkeit eines größeren
Angriffs an dieser bisher recht ruhigen Stelle wurde seitdem gerechnet). Die
gleichzeitig gemeldeten Mobilmachungsmaßnahmen der Schweiz*) bedeuteten
demgegenüber einen gewissen Schutz. Wenn am 1. Februar der unein-
geschränkte tlnterseekrieg begann, war vielleicht mit neuen Gegnern zu
rechnen; allerdings lagen Ende Januar Nachrichten vor, daß Holland sich
etwaigen englischen Landungsversuchen widersetzen und wenn irgend mög-
lich neutral bleiben würde.
Im Mittelpunkt aller Gedanken stand der zweifellos bevorstehende
neue schwere Ansturm von Engländern und Franzosen gegen die deutsche
Westfront einerseits, die Hoffnung auf rasche Wirkung des Anterseekrieges
andererseits. Die Entscheidung des Krieges schien vor der Tür zu stehen.
Leider aber war die Munitionsfertigung zur Abwehr der erwarteten
Angriffe hinter den von der Obersten Heeresleitung aufgestellten Forde-
rungen stark zurückgeblieben.
Eine neue Denkschrift der Heeresgruppe Kronprinz
Rupprecht brachte den Stein ins Rollen. Den Anstoß haben Bedenken
») S. 185 f.
2) Die Schweiz hätte bei Kriegsbeginn 25V 000 Mann einberufen, diese
Zahl war dann allmählich auf etwa 30 000 herabgemindert worden. Am
16. Jan. 1917 wurde sie durch Einberufung von zwei Divisionen wieder auf 80 000
erhöht. (General P. C. Bordeaux: „La Luisse et son armee dans la guerre
mondiale 1914/19.")